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Wie bei Konflikten alle Beteiligten gewinnen können

Sie hören zufällig ein Gespräch zweier Kolleginnen mit Ihrer Praxisleitung: „Ich weiß nicht, warum mich die Praxismanagerin laufend so unter Druck setzt. Das nervt. Ich weiß selbst, wie ich mich organisiere. Bisher habe ich doch alles zur vollsten Zufriedenheit erledigt. Oder etwa nicht?“ „Würde die selbst mal einen Montagvormittag an der Anmeldung sitzen, wüsste sie, warum ich nicht nebenher Schreibkram erledigen kann.“ Kommt Ihnen so oder ähnlich bekannt vor?

Meinungsverschiedenheiten gehören zum Leben

Am Arbeitsplatz genauso wie in der Familie. Aber wir können entscheiden, wie wir sie lösen. Ohne dass wir andere verletzen oder innere Kündigungen provozieren. Der Volksmund kennt allerlei Weisheiten, wenn es um Konflikte geht. „Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte.“„Der Ton macht die Musik.“ „Wenn´s um Geld geht, hört die Freundschaft auf.“ „Von nichts kommt nichts.“ „Dumm bleibt dumm, da helfen keine Pillen.“ Bestimmt fallen Ihnen noch mehr Sprüche ein, die in Praxiskonflikten gelegentlich gesagt oder gedacht werden. Sie haben eins gemeinsam: Sie drücken Ärger aus, aber sie lösen die Konfliktursache nicht. Selbst wenn nicht mehr darüber gesprochen wird, brodelt der Ärger im Inneren weiter.
 

Wie die Jeder-gewinnt-Methode entstand

Eine erwachsene Möglichkeit der Bewältigung ist das Gordon-Modell. Der amerikanische Psychologe Thomas Gordon erklärte es erstmals in seinem 1970 erschienenen Buch „Parent effectiveness training“ (deutsch „Familienkonferenz“), einem Training für Eltern. Das Training zielt darauf ab, in Familien gesünder, respektvoller und liebevoller zu kommunizieren und weniger Stress zu haben. Statt einen Sieger der Auseinandersetzung zu küren, wird versucht, beide gleichberechtigte Parteien zu einer Einigung gelangen zu lassen. Deshalb spricht man von der „Jeder gewinnt-Methode“. Was in der Erziehung klappt, gelingt auch Führungskräften.
 

Vorgehen nach strukturiertem Schema

Zunächst muss der Konflikt anerkannt und möglichst als ICH-Botschaft beschrieben werden. Sie könnten also zu Ihren Kolleginnen sagen: „Ich habe gehört, dass Ihr euch über mich geärgert habt. Ich würde gern noch einmal direkt von euch erfahren, womit Ihr nicht zufrieden seid und was wir ändern können.“ Kollegin 1 könnte antworten: „Du hast mir im Vorbeigehen zugerufen, dass ich den Arztbrief für Patient XY fertig machen soll, schnell. Aber hast du gesehen, dass die Leute am Empfang Schlange standen? Ich war an der Anmeldung voll ausgelastet.“ Sie spiegeln zurück: „Ich wollte, dass du den Arztbrief für XY schnell an die Uni-Klinik sendest, weil die darauf warten. Du fühltest dich dadurch unnötig unter Druck gesetzt. Habe ich das richtig verstanden?“

Damit fühlt sich Ihre Kollegin verstanden und ist bereit, mit Ihnen nach einer Lösung zu suchen. Wie es besser gehen könnte, besprechen Sie im Folgenden. Dazu betreiben Sie brainstorming:

  • Sie sammeln Ideen, ohne sie zu bewerten.
  • Anschließend kategorisieren Sie die Vorschläge danach, was dafür und was dagegen spricht.
  • Im nächsten Schritt entscheiden sich beide Seiten für eine Lösung. Im Idealfall ist es eine gemeinsam annehmbare. Wenn nicht, wird weitergesucht.
  • Ist die finale Entscheidung einvernehmlich getroffen, vereinbaren Sie konkret, wie, wann und von wem die Lösung ausgeführt wird.
  • Letztlich vereinbaren Sie einen Folgetermin, an dem Sie auswerten, ob Ihre Ideen erfolgreich waren oder nicht.

 

Vor- und Nachteile der Strategie

Die Jeder-gewinnt-Methode erfordert Zeit. Können Sie kleine Konflikte jedoch erfolgreich lösen, spart Ihnen das langfristig viel mehr Zeit. Zudem hat Ihr Team das Gefühl, dass sich Probleme konstruktiv besprechen lassen. Das stabilisiert oder verbessert das Arbeitsklima. Die Kolleginnen fühlen sich wertgeschätzt und bringen bei der nächsten sich anbahnenden Krise, die noch nicht einmal hausgemacht sein muss, eigene Verbesserungsideen ein.

Wer die Jeder-gewinnt-Methode einsetzt, verzichtet auf Macht. (Nicht nur) In der ambulanten Gesundheitsversorgung sind kooperative Führungsstile beim Team heute beliebter als autoritäres Führen. Dennoch kann es für Sie als Praxismanagerin in anderen Momenten erforderlich sein, sich durchzusetzen.
 

Kommunikationsbremsen, die Sie kennen sollten

Thomas Gordon führte 12 gesprächshemmende Arten auf, die er „Kommunikationssperren“ nannte. Diese können dazu führen, dass eine Unterhaltung abbricht und im Schweigen endet. Aktives Zuhören – wie oben beschrieben – befähigt das Gegenüber, selbst eine Lösung zu finden. Folgendes sollten Sie vermeiden:

  • Ablenken, Ausweichen, Hänseln
  • Anordnen, Befehlen
  • Belehren, durch Logik begründen
  • Beraten, Vorschläge machen, Lösungen liefern
  • Beruhigen, Sympathie äußern, Trösten, Aufrichten
  • Beschämen, Beschimpfen, lächerlich machen
  • Interpretieren, Analysieren, Diagnostizieren
  • Loben, Zustimmen, Schmeicheln
  • Moralisieren, Predigen
  • Nachforschen, Fragen, Verhören
  • (Ver)Urteilen, Kritisieren, Widersprechen, Vorwürfe machen, Beschuldigen
  • Warnen, Mahnen, Drohen
     

Weiterführende Informationen zum Modell finden Sie beispielsweise hier.


Übrigens: Konflikte im Team zu befrieden bzw. erst gar nicht aufkeimen zu lassen gehört zu den wichtigen Aufgaben einer Teamleitung. Damit das Teamklima nicht leidet, sind Einfühlungsvermögen, aber auch eine professionelle Teamführung gefragt. Wenn Sie sich zur Teamleiterin fortbilden, lernen Sie weitere Methoden der Teamleitung, der Moderation und Aufgabenverteilung kennen und anwenden. Sie sind interessiert? Hier erfahren Sie mehr.


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