Volkskrankheit Long Covid
Die Corona-Pandemie ist vorbei, doch Long Covid bleibt. Das Organisationsteam des Ärzte- und Ärztinnenverbandes Long COVID wollte nach dem 1. (2022) und 2. (2023) Long-Covid-Kongress eigentlich keine solche Veranstaltung mehr organisieren. „Doch es gibt noch viele schwarze Löcher“, beschrieb Prof. Dr. Rembert Koczulla, Chefarzt im Fachzentrum für Pneumologie der Schön Klinik Berchtesgadener Land, die Motivation, es doch zu tun. Auch das Bundesministerium für Gesundheit, das regelmäßig Runde Tische zur Thematik veranstaltet, hielt den Kongress für wichtig. „Wir stehen als Wissenschaftler auch dafür, Informationen nach außen zu tragen“, sagte Dr. Daniel Vilser, Chefarzt der Kliniken für Kinder- und Jugendmedizin Ingolstadt/Neuburg (AMEOS Krankenhausgesellschaft Neuburg mbH). Deshalb sollten Betroffene unbedingt teilhaben können.
5 bis 10 % aller an Corona Erkrankten entwickeln Long Covid
Dass der Bundesgesundheitsminister nicht nur ein persönliches Grußwort hält, sondern sich Fragen stellt und eine gute Stunde den Anwesenden Rede und Antwort steht, ist nicht alltäglich. Doch bei Long Covid „sind die Wissenslücken noch groß, die Vernetzung noch nicht optimal“, so Prof. Karl Lauterbach. 5 bis 10 % aller an Corona Erkrankten entwickeln Long Covid. „Das ist eine sehr hohe Zahl.“ Nach Schätzungen kämen jedes Jahr 200.000 Long-Covid-Erkrankte dazu. „Long Covid ist eine Art Volkskrankheit geworden und es gibt keine richtige Heilung.“
Lauterbach gesteht „politisch verursachte Schwäche“
Der Bundesgesundheitsminister weiß, dass Schwerpunktpraxen überlaufen sind und viele niedergelassene Hausärzte nicht ausreichend in die Versorgung eingebunden sind: „Diese Patienten sind nicht gern gesehen, weil sie viel Arbeit machen.“ Dass das so ist, charakterisierte Lauterbach als „politisch verursachte Schwäche“. Ein erheblicher Versorgungsbedarf werde nicht gedeckt, ebenso nicht für Psychotherapie. Bisher hat das BMG 4 Runde Tische zu Long Covid veranstaltet. Daran nehmen Betroffene, Forscherinnen und Forscher, Vertretungen der Selbstverwaltung und der Politik teil. „Wir werden weitermachen“, versprach der Bundesgesundheitsminister.
Chronische Erkrankungen immer mitdenken
Das BMG hat die Website BMG-Initiative Long COVID online gestellt, Erkrankten und Angehörigen die bestmögliche Unterstützung zu ermöglichen. Neben dem verständlich dargestellten Wissensstand sind u. a. das Bürgertelefon, regionale Anlaufstellen und Kooperationspartner aufgeführt. Bei Menschen, die mehrmals an Corona erkrankt waren, können Langzeitschäden nicht ausgeschlossen werden, so Lauterbach. Das betrifft insbesondere bestimmte Formen von Demenz. Auch das Diabetes-Risiko ist erhöht. „Wir müssen chronische Erkrankungen immer mitdenken“, forderte der Bundesgesundheitsminister. Fast täglich werden in seinem Ministerium Forschungsprojekte bewilligt. Auch in der aktuellen Regierungskrise seien diese nicht gefährdet. In Arbeit ist u. a. eine off-label-use-Medikamentenliste, um Symptome von Long-Covid-Patientinnen und -Patienten bessern zu können. „Aber wir haben noch einen langen Weg vor uns“, so Lauterbach.
Zahlreiche Forschungsprojekte, Teilhabe ist möglich
Auf dem diesjährigen Long-Covid-Kongress wurden zahlreiche aktuelle Forschungsvorhaben vorgestellt und diskutiert. Allein in den Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung beschäftigen sich 4 Projekte mit dem Post-Infektionsgeschehen, 2 mit Pathophysiologie, 2 mit dem Metabolischen Syndrom, 2 mit psychischer Gesundheit, 6 mit Herz-Kreislaufbeteiligung, 2 mit Neuro-/Immunologie sowie 3 mit Kinderkohorten. Weitere Forschungsprojekte laufen im Rahmen von Kooperationen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert 10 Forschungsverbünde.
Das Projekt MultiCARE möchte beispielsweise Lücken in der Gesundheitsversorgung von Post-Covid-Betroffenen identifizieren und aktuellen und künftigen Bedarf von Versorgungsangeboten schätzen. Am Teilprojekt 3 dieses Forschungsvorhabens können auch Patientinnen und Patienten mitwirken und ihre Erfahrungen teilen. Die DigiHero-Studie als größte Studie für digitale Gesundheitsforschung in Deutschland lädt alle Interessierten zur Teilnahme ein. Long Covid ist ein Teilaspekt. Insgesamt geht es um die Erforschung von Risikofaktoren für das Entstehen chronischer Erkrankungen. Die Anmeldung ist unkompliziert online möglich. Bis jetzt haben sich mehr als 110.000 Menschen registriert. Die Teilnahme ist freiwillig. Etwa alle 6 Monate werden den Studienteilnehmenden Fragebögen zugeschickt, die online ausgefüllt werden können. „Perspektivisch sollen auch Themenvorschläge von erkrankten Personen eingebracht werden“, sagte Prof. Dr. Rafael Mikolajczyk, Leiter der Studie und Direktor des Instituts für Medizinische Epidemiologie, Biometrie und Informatik an der Universitätsmedizin Halle.
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