Thema „Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz“ trifft den Nerv vieler Menschen
Das diesjährige Motto traf offenbar den Nerv vieler Menschen, stellte Professor Arno Deister, Vorsitzender des Aktionsbündnisses, Psychiater und Psychotherapeut, bei der Eröffnungsveranstaltung in Berlin fest. Warum? Psychische Erkrankungen sind die dritthäufigste Ursache für Fehlzeiten am Arbeitsplatz, sagte Schauspielerin und Mental Health Botschafterin Barbara Dussler. Bestehende Angebote sichtbar zu machen und psychische Erkrankungen zu entstigmatisieren, beschrieb Schirmherr und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach das Anliegen der Aktionswoche. Arbeitsminister Hubertus Heil betonte in einem Grußwort: „Arbeit darf nicht krank machen.“
Warum gesunde Arbeit wichtig ist
Arbeit dient der sozialen Integration und stiftet Sinn. Sie strukturiert den Tag und sorgt für Kontinuität. Menschen können sich selbst verwirklichen und verbessern ihr Selbstwerterleben. Sie bekommen Anerkennung und Bestätigung, sind finanziell unabhängig, erweitern ihre Kompetenzen. Arbeit ist gesundheitsförderlich und stabilisiert. Soweit die wissenschaftliche Basis, erklärt von Professorin Steffi Riedel-Heller, Leiterin des Instituts für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health am Universitätsklinikum Leipzig.
Veränderte Arbeit verändert Krankheitsspektrum
Doch seit der Erfindung der Dampfmaschine im Zeitalter der Industrialisierung um 1800 hat sich Arbeit deutlich gewandelt. Heute wird von der Epoche „Arbeit 4.0“ gesprochen, in der Digitalisierung, autonome Systeme und künstliche Intelligenz den Takt angeben. Zu den förderlichen Faktoren von Arbeit kommen krankmachende wie Abhängigkeiten, höhere Belastungen oder Entgrenzung. Damit einher geht auch ein verändertes Krankheitsspektrum. Laut aktuellem DAK-Gesundheitsreport verursachen psychische Erkrankungen 15,1 % der Ausfalltage, Krankschreibungen aus diesem Grund dauerten im Jahr 2022 36,6 Tage. Die meisten AU entfielen auf Depressionen.
„Viel zu tun und nichts zu sagen“ macht krank
Das Gesundheits- und Sozialwesen gehört zu den Branchen, die am meisten von Personalmangel betroffen sind. 79 % von 7.058 befragten abhängig Beschäftigten im Alter von 18 bis 65 Jahren gaben an, dass dies in ihrer Einrichtung zutrifft. Eine damit einhergehende veränderte Arbeitsintensität führt zu gesundheitsgefährdenden Belastungen. „Das System ist krank gespart, das macht was mit den Menschen, man muss an die Arbeitsbedingungen ran“, meint deshalb Sylvia Bühler, Mitglied im ver.di-Bundesvorstand, zuständig für Gesundheitspolitik.
Überlastung, das Fehlen von Entscheidungsspielraum, Zusammenhalt und Fairness, mangelnde Anerkennung sowie Wertekonflikte erhöhen das Risiko, an psychischen Störungen zu erkranken. Das belegten Studien. In anderen Worten: „Wer viel zu tun und wenig zu sagen hat, hat ein höheres Krankheitsrisiko“, so Professorin Steffi Riedel-Heller. Neue Konzepte der Arbeitsorganisation wie zum Beispiel agiles Arbeiten sind gefragt.
Was ist gesunder Arbeit förderlich?
Es gibt zahlreiche Konzepte, die Gesundheitsgefährdungen, insbesondere bezüglich psychischer Erkrankungen, erkennen und vermeiden helfen. Im Folgenden sind einige Empfehlungen aus einer Expertendiskussion im Rahmen der Aktionswoche Seelische Gesundheit 2024 aufgeführt. Sie erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
- Eine gute Unternehmenskultur ist Prävention.
- Unternehmensleitung und Führungskräfte müssen begreifen, was Mitarbeitende brauchen.
- Die Menschen müssen sich zugehörig fühlen.
- Psychische Erkrankungen sind kein Tabu. Das lässt sich auch in Unternehmen vorleben.
- Bei der Gefährdungsbeurteilung im Sinne des Arbeitsschutzgesetzes geht es immer um die Beurteilung und Gestaltung der Arbeit. Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen sind verpflichtet, die Gefährdungen ihrer Beschäftigten zu identifizieren. Dafür sind nicht nur körperliche, sondern auch psychische Faktoren zu berücksichtigen. Die Berufsgenossenschaft hilft, geeignete Verfahren zu entwickeln.
- Wie ein betriebliches Gesundheitsmanagement etabliert werden kann, steht z.B. hier.
- In einigen Unternehmen gibt es Beratungen für Mitarbeitende, bei denen alle Probleme, beruflich oder privat, vertraulich besprochen werden können.
In den Regionen Berlin, Köln und Nürnberg berät der Verein Blaufeuer Arbeitgebende und Arbeitnehmende kostenlos, vertraulich, anonym, wenn infolge psychischer Belastungen längere Krankschreibungen oder gar der Verlust des Arbeitsplatzes drohen. Der Name „Blaufeuer“ stammt aus der Schifffahrt: Orientierungslose Schiffe senden damit ein Notsignal, mit dem sie nachts Lotsendienste anfordern, die ihnen die Weiterfahrt ermöglichen.
Zudem können MFAs, ZFAs und Praxismanagerinnen von regionalen Qualitätszirkeln profitieren.
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