Schlechte Arbeitsbedingungen gefährden die Arbeitsfähigkeit
Der „Index Gute Arbeit Report 2023“ des Deutschen Gewerkschaftsbundes ist eine seit 2007 einmal jährlich stattfindende repräsentative Beschäftigtenbefragung. Für den aktuellen Bericht wurden zwischen Januar und April 2023 bundesweit 6.266 zufällig ausgewählte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen aller Branchen, Berufe, Einkommens- und Altersgruppen, Regionen und Betriebsgrößen telefonisch interviewt. Für den Report relevant war die Sicht der Beschäftigten.
Selbst eingeschätzter Gesundheitszustand ist keine medizinische Diagnose
Aber in gesundheitswissenschaftlichen und medizinischen Studien gilt er als aussagekräftiger Indikator. Der Grad des Wohlbefindens, gesundheitliche Beeinträchtigungen und vorhandene Erkrankungen spielen eine Rolle. Wer seine eigene Gesundheit schlecht(er) einschätzt, ist statistisch gesehen öfter chronisch krank oder hat Funktionseinschränkungen, beansprucht häufiger medizinische Behandlungen und hat ein höheres Sterberisiko.
Nur 22 % der abhängig Beschäftigten in Deutschland schätzen ihren Gesundheitszustand als „sehr gut“, weitere 38 % als „gut“ ein. Das heißt, 40 % bewerten ihre Gesundheit von „zufriedenstellend“ bis „schlecht“. Frauen beschreiben mit 56 % seltener einen (sehr) guten Gesundheitszustand als Männer mit 63 %.
Welche Rolle spielt das berufliche Anforderungsniveau?
Je höher das Qualifikationsniveau, desto besser die subjektiv empfundene Gesundheit. Nur jede zweite Person, die eine Hilfs- oder angelernte Tätigkeit ausübt, fühlt sich (sehr) gesund. Bei fachlich ausgerichteten Tätigkeiten wie bei Medizinischen Fachangestellten und bei komplexer Spezialistentätigkeit wie im Praxismanagement sind es 58 bzw. 68 %. Am gesündesten fühlen sich akademisch Ausgebildete (70 %).
4 exemplarische Belastungsarten von Arbeit
Für den DGB-Index Gute Arbeit Report 2023 wurden 4 häufige Belastungsarten erfragt:
• Körperlich schwere Arbeit (schweres Heben, Tragen oder Stemmen)
• Lärm oder laute Umgebungsgeräusche
• Arbeiten unter Zeitdruck
• Konflikte mit Kund*innen, Patient*innen, Klient*innen etc.
86 % der Befragten nannten Zeitdruck als psychischen Belastungsfaktor. Lärm oder laute Umgebungsgeräusche belasten drei Viertel der Befragten, Konflikte gaben zwei Drittel der Beschäftigten an. Schweres Heben oder Tragen gehört für 56 % zu den Arbeitsanforderungen. Jeweils rund ein Drittel der Befragten gab eine Mehrfachbelastung durch 3 oder 4 Faktoren an. Von den hochbelasteten Beschäftigten glauben nur 7 % daran, ihre Arbeit bis zum Renteneintritt durchzuhalten.
Gesundheitsgerechte Arbeitsbedingungen schaffen!
Je mehr Arbeitsbelastungen Beschäftigte ausgesetzt sind, desto schlechter schätzen sie ihren Gesundheitszustand ein. Trotz gesetzlich verankertem Arbeits- und Gesundheitsschutz ist die Zahl arbeitsbedingter Erkrankungen und Berufserkrankungen hoch. Die Studienautoren vermuten als UrsacheDefizite bei der betrieblichen Prävention gesundheitlicher Beeinträchtigungen. In der Realität berichteten nur wenige Beschäftigte von Maßnahmen des Arbeitgebers zur Belastungsreduzierung. Beispielsweise nur 14 % der Angestellten, die regelmäßig unter Zeitdruck arbeiten müssen. Nur ein Drittel erhielt ein Angebot für eine Schulung zur Stressbewältigung (solche freiwilligen Angebote ändern nicht die Arbeitsbedingungen, sondern setzen am individuellen Verhalten der Betroffenen an – mit dem Ziel, deren Belastbarkeit zu erhöhen). So ist wenig verwunderlich, dass nur 18 % der Kursteilnehmenden einen positiven Effekt für den Umgang mit Zeitdruck bei der Arbeit sahen. Für 82 % waren Achtsamkeits-, Entspannungs- oder Resilienzkurse gar nicht oder nur in geringem Maße wirksam.
„Arbeit unter Zeitdruck erledigen zu müssen, ist ein wichtiger Indikator für eine hohe Arbeitsintensität. Insgesamt kommt es bei 90 Prozent der Befragten vor, dass sie sich bei der Arbeit gehetzt fühlen. Besonders häufig berichten Beschäftigte aus Gesundheitsberufen (94 %) sowie unternehmensbezogenen Dienstleistungsberufen (94 %) von Zeitdruck.“
Konflikte mit Patienten und Angehörigen gehören für medizinisches Praxispersonal zum Alltag. Mit 79 % sind die Gesundheitsberufe eine Berufsgruppe mit den häufigsten Konfrontationen. Präventive Maßnahmen wie das Etablieren eines Beschwerdemanagements kann helfen, Konflikte zu entschärfen. Allerdings gaben 61 % der Befragten an, dass ihr Arbeitgeber keine präventiven Maßnahmen wie besondere Sicherheitsvorkehrungen oder verkürzte Wartezeiten getroffen habe.
Vernachlässigte Gefährdungsbeurteilung
Die Gefährdungsbeurteilung ist das zentrale Instrument des Arbeitsschutzes. Ohne sie können wirksame betriebliche Präventionsmaßnahmen nicht erfolgen. Aber laut DGB-Report (vollständiger Name übrigens: „Gesunde Arbeit? Betriebliche Prävention aus Sicht der Beschäftigten“) erfolgte bei 43 % der Befragten in den letzten 2 Jahren gar keine Gefährdungsbeurteilung. Zudem werden psychische Arbeitsbelastungen oft vernachlässigt. Nur 18 % der Befragten konnten von einer vollständigen Gefährdungsbeurteilung berichten.
Das Sozialwesen mit 16 % und das Gesundheitswesen mit 15 % sind bezüglich Gefährdungsbeurteilung leider keine Branchenvorreiter. Kleinstbetriebe mit weniger als 20 Beschäftigten, also ein Großteil der Arztpraxen, haben nur zu 10 % vollständige Gefährdungsbeurteilungen erstellt. Betriebliche Gesundheitsprävention kann nur erfolgen, wenn die Risiken bekannt sind.
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