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Pandemiefolgen bei Kindern: Adipositas nimmt zu

Eine Studie bei Vorschulkindern bestätigt die Beobachtungen der Haus- und Kinderärzte: Mehr Kinder als vor der Pandemie sind übergewichtig oder adipös. Auch die Sprachdefizite haben zugenommen.

15 Prozent der Kinder sind zu dick

Der Kinder- und Jugendärztliche Dienst in der Region Hannover hat Daten aus Schuleingangsuntersuchungen aus der Zeit vor der Pandemie und während der Pandemie ausgewertet. Dabei wurden die Befunde des Einschulungsjahrgangs 2021/2022 mit denen der Jahrgänge 2018/2019 und 2019/2020 verglichen. Das Ergebnis: Seit Beginn der Pandemie haben Übergewicht und Adipositas bei Vorschulkindern deutlich zugenommen.

In der Region Hannover werden jährlich circa 11.000 Kinder eingeschult. Vor Corona waren circa 10% der Kinder übergewichtig oder adipös. Im aktuellen Einschulungsjahrgang stieg dieser Anteil auf 14,5%, also fast die Hälfte mehr. Kinder aus allen Bildungsschichten sind betroffen, allerdings ist der Zuwachs bei Familien mit geringerem Einkommen höher.

Als Ursache dafür wird eine Abnahme des Bewegungsangebots bei gleichzeitiger Zunahme des Medienkonsums angesehen. So waren vom Einschulungsjahrgang 2021/2022 weniger Kinder in einem Sportverein (46%) als vor der Pandemie (56%). 53% der Kinder konnten nicht schwimmen. Vor der Pandemie lag der Anteil der Nichtschwimmer zur Einschulung bei 38%. Der Anteil der Vorschulkinder, die täglich mehr als 2 Stunden Medien konsumiert, stieg von 5,5% vor der Pandemie auf 7,1% an. Dagegen nahm der Anteil derer, die nie Medien konsumieren von 19% auf 9% ab.

Die Pandemie hatte ebenfalls Folgen für die Sprachkompetenz der Kinder. Bei 67% der Vorschulkinder empfahlen Ärzte eine Abklärung, ob eine Sprachentwicklungsstörung vorliegen könnte. Zum Vergleich: Vor der Pandemie bekamen 54% der Kinder eine Abklärungsempfehlung.
 

Wie Arztpraxen mit dem Problem umgehen können 

Die Autorinnen der Studie schlagen vor, die Adipositasprävention zu stärken. Dazu sollten ihrer Ansicht nach intensive Förderprogramme in Kindertageseinrichtungen und Grundschulen aufgelegt werden. Dazu gehöre, Wissen über gesunde Ernährung zu vermitteln und reichlich Bewegungsangebote zu machen. Sie fordern, dass sozialpädiatrische Stellen mit niedergelassenen Hausärzten sowie Kinder- und Jugendärzten und den regionalen Sportangeboten gezielt vernetzt werden.

Eine Chance könnte auch im Disease-Management-Programm (DMP) Adipositas liegen, das zurzeit entwickelt wird. Bis zum 31. Juli 2023 soll der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) entsprechende Richtlinien vorlegen. Das DMP Adipositas soll multimodale und sektorenübergreifende Versorgung von Adipositas-Patienten ermöglichen beziehungsweise verbessern.

Die Vorlage für das DMP Adipositas könnte das DMP Typ-2-Diabetes sein, mit 4,4 Millionen Teilnehmern das größte DMP. So sehen es die Deutschen Gesellschaften für Adipositas (DAG) und  Diabetes (DDG). Ärztinnen und Ärzte sollten dafür eine individuelle Ernährungstherapie ebenso verschreiben können, wie Arzneitherapien und Psychotherapien. Laut Vorsitzenden des G-BA, Josef Hecken, müssen für Kinder und Jugendliche gesonderte DMP-Richtlinien entwickelt werden.

Zurzeit ist die Leitlinie zur Therapie und Prävention der Adipositas im Kindes- und Jugendalter maßgeblich. Informationen zur Diagnostik von Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen stellt auch die Deutsche Gesellschaft für Adipositas zur Verfügung. Nützliche Links für das ärztliche Gespräch mit den Eltern finden sich bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Informationsmaterialien für Kita- und Schul-Verpflegung und -Bewegungsförderung gibt es bei der von der Bundesregierung geförderten Initiative In Form. Weiterhin unterstützen viele Krankenkassen ihre Versicherten mit speziellen Schulungsprogrammen für Kinder.

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