Long COVID-Patienten nicht im Regen stehen lassen
„Wir stoßen täglich an unsere Belastungsgrenzen“, sagte die Ärztin Dr. Claudia Ellert zu Beginn der Veranstaltung mit internationaler Beteiligung. Sie ist selbst von Long COVID betroffen und brachte so auf den Punkt, was Skeptiker an der noch wenig greifbaren Erkrankung nicht verstehen. Als MFA wissen Sie: Die meisten COVID-19-Patienten werden ambulant behandelt. Zur Erinnerung: Hat jemand 4 Wochen nach der Corona-Erkrankung Krankheitssymptome, spricht man von Long COVID. Halten die Beschwerden 12 Wochen nach der SARS-CoV-2-Infektion an, ist von Post COVID die Rede. Zahlreiche Forschungsprojekte laufen weltweit. Dennoch sind unzählige Aspekte der Erkrankung noch ungeklärt.
Was ist Long COVID?
So wird ein postinfektiöses Syndrom nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 mit mehr als 200 verschiedenen Symptomen bezeichnet. Es sind mehrere ähnliche unerklärte Syndrome durch andere Erreger bekannt, beispielsweise das Post-Ebola-Syndrome oder das Post-treatment Lyme disease syndrome nach Borrelieninfektionen.
Wer kann Long COVID bekommen?
„Jeder kann Long COVID bekommen“, sagte Professorin Rachel Evans von der Universität Leicester. Einige Risikofaktoren sind inzwischen bekannt:
- mittleres Alter,
- Frauen,
- Adipositas,
- schwere akute Erkrankungen,
- Vorerkrankungen.
Dr. Jördis Frommhold vom Institut Long COVID, einem deutschlandweit einzigartigen, im Oktober 2022 gegründeten Modellprojekt, sieht junge Menschen im arbeitsfähigen und -willigen Alter gefährdet, die vor der Akuterkrankung ein hohes Leistungsniveau aufwiesen.
Gibt es Diagnosemarker?
Bis jetzt gibt es keine Tests, mit denen die Diagnose Post COVID/Long COVID eindeutig bestätigt werden kann. In der AWMF S1-Leitlinie Post-COVID/Long-COVID ist der aktuelle Stand der Wissenschaft zusammengefasst. „Alle Niedergelassenen sollten die Leitlinie einmal lesen“, meint Professorin Uta Merle vom Universitätsklinikum Heidelberg. Sie sollten die empfohlene Ausschlussdiagnostik durchführen und „den Mut haben, das zu diagnostizieren“. Für Betroffene, Angehörige und Interessierte steht eine laienverständliche Version der Leitlinie zur Verfügung.
Wie viele Betroffene gibt es?
Fachleute rechnen mit einer hohen Dunkelziffer. Für Deutschland wird – ausgehend von der Tatsache, dass 10 % der Infizierten Long COVID entwickeln – von 3 Millionen Betroffenen ausgegangen. Hinzu kommen Menschen, die nach Impfungen erkrankt sind – dabei wird jedoch vom „Post Vac-Syndrom“ gesprochen. Wissenschaftlich gesichert ist, dass die Symptome und die Häufigkeiten eines Post-COVID-Syndroms bei Erwachsenen und Kindern unterschiedlich sind. Laut POINTED-Studie waren 3 Monate nach ihrer Corona-Infektion 15 % der Erwachsenen und 10 % der Kinder und Jugendlichen noch gesundheitlich beeinträchtigt.
Welche therapeutischen Möglichkeiten gibt es?
Long COVID ist kein einheitliches Krankheitsbild. Bisher gibt es noch keine ursächliche Therapie, aber Symptome können gelindert werden. „Wir haben jetzt Hunderttausende Patienten, die im Regen stehen“, stellte Dr. Jördis Frommhold fest und forderte: „Wir müssen den Patientenpfad ganzheitlich sehen. Den roten Faden zu suchen, ist unsere Aufgabe.“ Angesichts verschiedener Beschwerden muss viel erklärt werden, vor allem bei kognitiven Beeinträchtigungen.Eine für alle Betroffenen geeignete Therapie kann es nicht geben. Je nach Beschwerdebild kommen spezifische Reha-Programme in Frage. Informationen für Arbeitnehmende und Arbeitgebende finden sich auf der Website longCOVID-info.de der BzgA.
Gibt es eine App?
Ja. Die kostenpflichtige Fimo-App hilft Long COVID-Betroffenen (auch bei ME/CFS und Multipler Sklerose), ihre Erkrankung und die Symptome besser zu verstehen und damit proaktiv umzugehen. Einige Krankenkassen übernehmen die Kosten von 349,99 Euro über 6 Monate bereits. Eine Selbstzahlung ist leider nicht möglich.
Schon gewusst?
Am 1. Januar 2021 wurde mit „U09.9“ ein neuer ICD-10-Code für die Leistungsabrechnung für Menschen mit Post-COVID in Deutschland eingeführt.
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