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Lieferengpässe bei Arzneimitteln – die Lage wird dramatischer

250 Medikamente sind aktuell nicht lieferbar. Darauf weist der Deutsche Apothekerverband hin. Lieferengpässe nehmen ständig zu. Woran das liegt und was man dagegen tun kann.

Lieferengpässe nehmen zu – das macht immer mehr Probleme

In den letzten Monaten sorgten nicht lieferbare Arzneimittel für Schlagzeilen. Im April und Mai fehlte das wichtige Brustkrebsmittel Tamoxifen, dann wurde ein Ibuprofen-Saft knapp, der fiebernden Kindern sehr häufig gegeben wird. Bei der Hälfte der Lieferengpässe lässt sich eine Alternative finden, aber bei den übrigen kann das Problem sehr groß werden. Entweder, weil es keine passenden Ausweichmedikamente gibt (wie im Fall von Tamoxifen). Oder weil sie sehr teuer sind. Oder weil es einfach zu wenig Wirkstoff gibt (wie im Falle des Ibuprofen-Safts).

Seit Jahren müssen in Deutschland Operationen verschoben werden, weil Narkosemittel fehlen. Immer wieder müssen Patienten ihre Medikamente rationieren oder zeitweise ohne sie auskommen, weil es zu wenig Nachschub gibt. Das betrifft gängige Mittel, wie z. B. Diabetes- oder Hochdruck-Medikamente oder Nischenprodukte, die bei ganz speziellen Krankheiten eingesetzt werden, beispielsweise bei Kindern, die Leukämie haben.

Die Liste der fehlenden Medikamente ist lang – aktuell fehlen 250 Mittel. Über aktuelle Lieferengpässe informiert das BfArM unter dieser Webadresse. Das Institut fordert Pharmaunternehmen dazu auf, drohende Lieferschwierigkeiten rechtzeitig zu melden. Doch das klappt nicht zuverlässig. Deshalb kann es auch immer wieder zu plötzlichen Engpässen kommen. Arztpraxen und Apotheken werden deshalb auch immer mal wieder überrascht und müssen kurzfristig nach Lösungen suchen.

Was früher eine Ausnahme war, nimmt seit einigen Jahren ständig zu und ist nun zu einem Dauerproblem geworden. 2015 wurden 40 Lieferengpässe gemeldet, 2017 waren es schon 108 und 2018 stieg die Zahl sogar auf 268. Apotheken müssen inzwischen 10 % der Arbeitszeit dafür aufwenden, nach Alternativen für fehlende Arzneimittel zu suchen. Die Situation ist eine ernstzunehmende Gefahr für die Gesundheit vieler Menschen.


Das Problem ist zum Teil hausgemacht

Lieferengpässe sind ein globales Problem, Deutschland ist nicht allein davon betroffen. Es gibt viele Gründe für die schwierige Situation. Die wichtigsten 7 Ursachen sind folgende:

  1. Pharmaunternehmen stellen Wirkstoffe nicht mehr selbst her, sondern kaufen sie billig auf dem Weltmarkt ein. Sie können so Produktions- und Lagerhaltungskosten sparen und laufen nicht Gefahr, zu viel zu produzieren, wenn der Bedarf schwankt. Das führt jedoch schnell zu Engpässen. So gibt es für Ibuprofen nur 6 Produktionsstätten weltweit. Im Sommer waren 5 davon ausgefallen – zum Teil wegen coronabedingten Lieferschwierigkeiten. Der verbleibende Hersteller konnte den Bedarf nicht decken.
  2. Strengere Kontrollen sollen gefährliche Imitate ausfindig machen und Verschmutzungen entdecken. Diese an sich gute Entwicklung sorgt für Lieferschwierigkeiten, wenn Produktionsstraßen umgestellt und Packungen neu bedruckt werden müssen.
  3. Die Rabattverträge der Krankenkassen sorgen für einen großen Preisdruck. Die Hersteller stellen sich auf den zu erwartenden Bedarf ein, der sich aus den Verträgen ergibt. Hersteller können den Bedarf aber nicht immer decken, kleinere Hersteller können oft nicht kurzfristig die Produktion hochfahren, wenn es zu Engpässen kommt.
  4. Der hohe Kostendruck macht die Produktion in Ländern mit höheren Lohnkosten unrentabler. Deshalb gibt es zu wenig Produktionsstätten in Europa.
  5. Die Festbeträge in Deutschland sind für Hersteller unattraktiver als ein freier Markt in anderen Ländern.
  6. Es gibt keine Konsequenzen für Hersteller, die nicht liefern können, also auch keinen Anreiz zur Sicherstellung der Versorgung.
  7. Deutschland bevorratet nicht die wichtigsten Arzneimittel, weil eine entsprechende Liste fehlt. So eine Liste ist schwer zu erstellen, weil es unterschiedliche Perspektiven in der Frage gibt, welche Arzneimittel unentbehrlich sind.


Wie kann man mit Lieferengpässen gut umgehen?

In erster Linie ist die Politik aufgerufen, die strukturellen Ursachen zu reduzieren. Alle Experten sind sich einig, dass es mehr Produktionsstätten in Europa braucht. So lange Hersteller, die in Europa produzieren, jedoch einen wirtschaftlichen Nachteil haben, wird sich dieses Ziel wohl nur schwer verwirklichen lassen. Es steht im Widerspruch zu einem anderen politischen Ziel: Stabilität bei den Krankenkassenbeiträgen. Unter anderem wurde die Regelung mit den Rabattverträgen eingeführt.

Die Lösung der strukturellen Probleme wird in jedem Fall Jahre dauern. Bis dahin muss man damit rechnen, dass sich das Problem weiter verschärft. Das BfArm versucht währenddessen mit Ausnahmeregelungen für Entspannung zu sorgen. Das Institut ordnet z. B. an, dass Arzneimittel auch mit Kennzeichnungen auf den Markt kommen dürfen, die von der in der Zulassung genehmigten abweichen, z. B. in anderen Sprachen beschriftete Verpackungen. Oder dass Arzneimittel auch nach Ablauf des Verfallsdatums abgegeben werden dürfen.

Arztpraxen können sich mit der Datenbank des BfArm auf dem Laufenden halten und bei vorab angekündigten Lieferengpässen betroffenen Patientinnen raten, unverzichtbare Arzneimittel rechtzeitig zu bevorraten. Manchmal sind Arzneimittel in einer bestimmten Darreichungsform noch verfügbar, z. B. als Lösung zur Injektion.

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