Grippeimpfung: Frauen reagieren stärker
Die Studienergebnisse sind besonders deshalb interessant, weil bisher nur wenige Untersuchungen von Impfreaktionen zwischen den Geschlechtern unterscheiden. Das Team um Dr. Marilou Kiely von der University of Montreal in Kanada wertete für ihre Metaanalyse 18 Studien zur Influenzaimpfung aus. Insgesamt hatten daran 34.343 Erwachsene zwischen den Jahren 2010 und 2018 teilgenommen.
Unterschiedliche Impfreaktionen
Das Forscherteam aus Montreal untersuchte anhand der vorliegenden Daten das Potenzial für Reaktionen nach der Impfung. Gemeint waren damit z. B. Reaktionen an der Injektionsstelle, wie etwa Schmerzen und Rötungen, außerdem Nebenwirkungen wie Fieber oder Muskelschmerzen. Untersucht wurde ein Zeitraum von 7 Tagen nach der Impfung, zusätzlich bezog man weitere gesundheitliche Ergebnisse zwischen 3 und 4 Wochen nach der Impfung mit ein. Das Resultat: Männer und Frauen haben ein unterschiedlich hohes Risiko, eine Impfreaktion zu entwickeln.
Es wurde festgestellt, dass Frauen in beiden untersuchten Altersgruppen im Vergleich zu ihren männlichen Pendants ein erhöhtes Risiko für Nebenwirkungen nach der Impfung aufwiesen. Bei jüngeren Frauen (18 bis 64 Jahre) war das Risiko für Reaktionen an der Einstichstelle um 29 % höher als bei gleichaltrigen Männern, während es bei älteren Frauen (ab 65 Jahren) sogar um 43 % höher lag. Darüber hinaus traten systemische Reaktionen bei Frauen ebenfalls häufiger auf, nämlich um 25 % bei jüngeren und um 27 % bei älteren Frauen.
Auch bei den schweren Impfreaktionen war die Differenz deutlich. Bei jüngeren Frauen war dieses Risiko um mehr als das Doppelte höher als bei Männern, während es bei älteren Frauen um beinahe 50 % gesteigert war. Die Art des verwendeten Impfstoffs hatte keinen Einfluss auf diese Befunde.
Liegt es am Kommunikationsverhalten?
Die Wissenschaftler schließen aus ihrer Metaanalyse, dass Grippeimpfungen bei Frauen tendenziell stärkere Impfreaktionen auslösen als bei Männern. Einen Faktor muss man bei den Ergebnissen allerdings berücksichtigen: Die Reaktionen wurden von den Teilnehmern selbst angegeben. Dies könnte zu einer gewissen Verzerrung der Ergebnisse führen, da Frauen tendenziell eher dazu neigen, gesundheitliche Beschwerden zu melden. Trotzdem ist es nicht unwahrscheinlich, dass Frauen stärker auf Grippeimpfungen reagieren als Männer, da diese eine geringere Immunreaktion zeigen und eine höhere Anfälligkeit für Infektionen wie Influenza aufweisen.
Unterschiede zwischen den Geschlechtern
Dass Männer und Frauen sich in vielen medizinischen Bereichen teilweise stark unterscheiden, ist erst in den letzten Jahren unter dem Stichwort „Gendermedizin“ zum Thema geworden. Denn bis vor wenigen Jahren galt der männliche Körper als Referenz für die medizinische Forschung. Dadurch wurden häufig Symptome bei Frauen fehlinterpretiert, weil sie anders verliefen als bei Männern. Ein typisches Beispiel dafür ist der Herzinfarkt. Während Männer meistens die klassischen Symptome wie Schmerzen im Arm und Brust zeigen, leiden Frauen häufig unter Rückenschmerzen, Atemlosigkeit oder Übelkeit. Daher werden weibliche Herzinfarkte oft erst spät oder gar nicht erkannt.
Auch Medikamente wirken bei Frauen teilweise anders, was oft mit dem unterschiedlichen Körperbau, aber auch den hormonellen Unterschieden zusammenhängt. Der weibliche Zyklus inklusive Menstruation, Schwangerschaft und Menopause war auch lange das Argument, warum eher an männlichen als an weiblichen Probanden geforscht wurde. Glücklicherweise ist dieser Missstand mittlerweile bekannt und in der medizinischen Forschung liegt der Fokus verstärkt auf der Entwicklung von personalisierten, geschlechtsspezifischen Ansätzen zur Diagnose und Behandlung von Krankheiten. Es kann gut sein, dass man zukünftig auch Impfungen spezifischer auf bestimmte Patientengruppen abstimmt.
© 2024 PKV Institut GmbH. Alle Rechte vorbehalten.
Sämtliche Texte und Bilder in unserem Online-Magazin sind urheberrechtlich geschützt. Bitte beachten Sie, dass auch dieser Artikel urheberrechtlich geschützt ist und nur mit schriftlicher Genehmigung des PKV Instituts wiederveröffentlicht und vervielfältigt werden darf. Wenden Sie sich hierzu bitte jederzeit unter Angabe des gewünschten Titels an unsere Redaktionsleitung Silke Uhlemann: redaktion(at)pkv-institut.de. Vielen Dank!
Qualitätsmanagement
Werden Sie zur Qualitätsmanagementbeauftragten und machen Sie Ihre Praxis effizienter – flexibel neben dem Beruf!