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Corona: Wie ist die Sommerwelle einzuschätzen?

Die von vielen Experten vorausgesagte Sommerwelle ist nach Einschätzung des Robert-Koch-Instituts (RKI) und des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) nun da. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) rechnet mit hohen Inzidenzzahlen, warnt aber auch vor unnötiger Panik. Auf welche Risiken sollte man in der aktuellen Lage weiterhin achten?

Auf welche Kennzahlen sollte man achten?

Anders als in den vorangegangenen beiden Sommern steigt die Zahl der bestätigten Neuinfektionen im Moment deutlich an. Bezogen auf ganz Deutschland betrug der Zuwachs in der letzten Woche 34 %. Besonders Menschen der Altersgruppen zwischen 20 und 29 sowie zwischen 50 und 59 Jahren stecken sich öfter an. Bei ihnen nahm die 7-Tage-Inzidenz um circa 40  % zu.

Die Testkapazität wird jedoch weniger gut ausgelastet, die Zahl der nicht erfassten Covid-Erkrankungen schätzen Experten etwa doppelt bis dreimal so hoch ein. Deshalb ist die Bewertung der Lage mithilfe der 7-Tages-Inzidenz sehr schwierig. Eine bessere Einschätzung erlauben derzeit die Hospitalisierungsrate und die Zahl der Coronapatienten auf Intensivstationen. Allerdings sind diese Zahlen ebenfalls mit Vorsicht zu bewerten, da zum einen aufgrund der schleppenden Digitalisierung die Daten mit Zeitverzögerung beim RKI ankommen und zum anderen die schweren Verläufe, die durch BA.5 ausgelöst werden, noch nicht im Krankenhaus angekommen sind.

Trotzdem schätzen sowohl das BMG als auch das RKI sowie führende Ärztevertreter die Lage als gut beherrschbar ein. Sie sind sich einig, dass Panik nicht angebracht ist, auch bei aktuell steigenden Infektionszahlen. Wichtig sei jedoch, die Krankheitslast in der Bevölkerung möglichst in Echtzeit einzuschätzen. Dazu zählen zum einen die Angaben, wie viele Menschen wegen Covid im Krankenhaus behandelt werden müssen und wie viele eine intensivmedizinische Behandlung benötigen. Aber auch die Zahl der Krankschreibungen ist relevant. So kommen viele Gesundheitseinrichtungen an ihre Grenzen, wenn ein zu großer Anteil des Personals ausfällt.
 

Vorsicht bleibt angebracht

Expertinnen hatten diese Sommerwelle vorausgesagt. Der nicht saisonale Anstieg hat damit zu tun, dass sich ein noch ansteckenderer Subtyp der Virusvariante Omikron, BA.5, in den vergangenen Wochen stark ausgebreitet hat. Laut RKI ist BA.5 inzwischen in Deutschland dominant. Es ist stärker als die zuvor dominanten Subtypen des Omikron-Virus in der Lage, den Immunschutz zu unterlaufen. Geimpfte und Genesene können sich deshalb noch leichter mit dem Coronavirus infizieren als zuvor.

Deshalb bleibt Vorsicht weiterhin wichtig. So zeigen immer mehr Studien, dass eine zurückliegende Sars-CoV-2-Infektion anfälliger für andere Infektionskrankheiten machen kann. Zum Beispiel steigt das Risiko für eine Gürtelrose (Herpes Zoster) bei über 50-Jährigen nach einer Corona-Infektion um 15 % und bei Menschen, die wegen Covid im Krankenhaus behandelt werden mussten, sogar um 21 % an. Die Analyse ergab, dass die Gürtelrose entweder innerhalb von 30 Tagen nach Infektion oder nach 3 bis 6 Monaten auftritt. Als Ursache dafür gilt die Fähigkeit des Sars-CoV-2-Virus, bestimmte Immunzellen zu schädigen. Kommt dann noch die normale Alterung des Immunsystems dazu, kann es zu Folgeerkrankungen kommen.

Gegen die Gürtelrose steht ein Impfstoff zur Verfügung, der Menschen über 60 Jahre empfohlen wird. Allerdings wird dieser Impfstoff zu zögerlich angenommen. Es sind nur 5 % der Bevölkerung einmal gegen Gürtelrose geimpft und nur etwas mehr als 3 % zweimal.

Auch der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Tedros warnt vor allzu großer Nachlässigkeit bei der Prävention von Infektionen. Auf einer Konferenz der Gesundheitsminister der G20-Staaten in Indonesien zeigte er sich besorgt über hohe Infektionszahlen, besonders da in vielen Regionen nicht ausreichend getestet wird und das Genom der Virusproben zu selten analysiert wird. So bestehe die Gefahr, dass die Welt „blind für die Entwicklung des Virus“ würde, so Tedros. Außerdem befürchtet er, dass sich der Kreislauf aus Nachlässigkeit und Panik ständig wiederholt, wenn nicht ausreichend Lehren aus den Erfahrungen gezogen würden.
 

Einrichtungsbezogene Impfpflicht bleibt Streitfall

Unterdessen sorgt die einrichtungsbezogene Impfpflicht weiterhin für Turbulenzen. In einem Eilbeschluss entschied das Verwaltungsgericht der Stadt Schleswig, dass Gesundheitsämter keine Geldbuße verhängen dürfen, wenn ihnen kein Impf- oder Genesenennachweis des Gesundheitspersonals vorgelegt wird. Die Durchsetzung der Impfpflicht durch Gesundheitsämter sei unrechtmäßig. Die Impfpflicht solle nicht per Verwaltungsakt durchgesetzt werden, sondern sei vielmehr als indirekter Druck zu verstehen, weil denjenigen, die eine Impfung verweigerten, damit berufliche Nachteile entstünden.

Gesundheitsämter könnten aber durchaus Betretungs- oder Tätigkeitsverbote aussprechen und diese auch mit sofortiger Wirkung anordnen.

Gleichzeitig kündigte das Bundesland Thüringen an, dass es Bußgelder bis zur Höhe von 250 Euro ansetzen wolle, wenn Beschäftigte im Gesundheitswesen weiterarbeiten, ohne sich impfen zu lassen. Vor der Festsetzung sollen ungeimpfte Beschäftigte und deren Arbeitgeber vor Ort angehört werden.

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