Wie Sie belastendes Grübeln unterbrechen können
Süchtig nach negativen Gedanken?
Falls Sie zu den Menschen gehören, die sich ständig mit den eigenen Gedanken beschäftigen, fühlen Sie sich vielleicht auch ab und zu von ihnen überwältigt. Vor allem, wenn Sie viele negative Gedanken haben, die sich um Befürchtungen um die Zukunft drehen oder um Fehler, die in der Vergangenheit liegen.
Der niederländische Psychologe Gijs Jansen ist der Ansicht, dass Menschen ihre Gedanken und Gefühle viel zu ernst nehmen. Viele Menschen identifizieren sich sogar mit dem, was sie denken, so sehr, dass sie regelrecht süchtig nach ihrer eigenen Wahrheit werden. Das kann sowohl dazu führen, dass sie von Angst und Zweifel überwältigt werden, als auch, dass sich die Wahrnehmung der Realität verändert. Die Dinge, die die eigene Überzeugung bestätigen, werden stärker wahrgenommen und das, was nicht ins Bild passt, wird ausgeblendet. Paradoxerweise empfinden Menschen, die viel grübeln, durch diese Wahrnehmung aber weniger Unsicherheit. Weil ihnen ihr Verstand vorgaukelt, die Welt sei so, wie sie sie sich sowieso schon vorgestellt haben.
Viele Menschen haben gerade in Zeiten von globalen Krisen ein Bedürfnis danach, Unsicherheiten zu reduzieren. Die Zusammenhänge sind so komplex und undurchschaubar und es passieren so viele Dinge gleichzeitig, dass vieles, was sicher schien, ins Wanken gerät. Das schürt Ängste. Wenn man diese Ängste nicht zulassen kann, können auch Aggressionen bzw. eine permanente Gereiztheit entstehen. Kein schöner Zustand.
Menschen können mit dem Gefühl der Unsicherheit generell schlecht umgehen. Der dabei empfundene Kontrollverlust passt nicht zum Grundbedürfnis nach Sicherheit und Schutz vor Gefahren. Menschen, die viel grübeln, glauben, dass ihnen das Grübeln dabei hilft, ihre Probleme zu lösen. In Wirklichkeit hält es sie davon ab, Erfahrungen zu machen, sich Konflikten zu stellen oder Entscheidungen zu treffen. Es verschafft ihnen ein Sicherheitsgefühl, weil sie etwas Vertrautes tun – und zwar immer wieder. Deshalb wird Grübeln, wie alles, was wir oft tun, zu einer Gewohnheit. Einer Gewohnheit, die Schaden anrichtet.
Was beim Grübeln im Körper passiert
Je öfter Sie einen bestimmten Gedanken haben, z. B.: Das klappt doch eh nicht!, desto stärker reagiert auch der Körper darauf und Sie erleben ein Gefühl von Vertrautheit und Sicherheit. Das ist vielleicht vergleichbar mit einer Straße, die Sie oft befahren. Sie kennen jede Weggabelung, jedes Schlagloch, jedes Haus und jeden Baum entlang des Weges. Sie befahren die Straße jedoch auch oft, ohne die Einzelheiten richtig wahrzunehmen. Manchmal passiert es sogar, dass Sie diesen Weg nehmen, obwohl Sie eigentlich ganz woanders hinwollten. So als ob der Autopilot übernommen hätte.
So ähnlich kann es Ihnen mit negativen Gedanken ergehen. Wenn Sie wegen ihrer Gedanken oft verärgert oder gereizt sind, wird ihr Körper sensibler für die Botenstoffe, die dabei ausgeschüttet werden. Dadurch neigen Sie schneller dazu, ärgerlich zu werden, weil es mehr Rezeptoren für diese Botenstoffe im Körper gibt, die „gefüttert werden wollen“.
Wie Sie mit negativen Gedanken anders umgehen
Da der Verstand dazu neigt, die Dinge in einem negativen Licht zu sehen, entsteht bei vielen Menschen ein verzerrtes Bild über sich selbst und die Welt. Durch die Macht der Sprache kann es sehr schwer sein, diese Verzerrung abzumildern. Die berühmte Frage: Ist das Glas halb voll oder halb leer? ist ein gutes Beispiel dafür. Sie lässt uns nur die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten: halb voll im positiven Fall, halb leer im negativen. Man könnte aber auch antworten: Das Glas ist doppelt so groß wie es sein müsste, gemessen an der Menge der Flüssigkeit, die darin enthalten ist. Zugegeben, etwas kompliziert, aber befreit von der Bewertung gut oder schlecht.
Die Macht der Sprache lässt sich also auch nutzen, um sich von den eigenen Gedanken ein Stück weit zu emanzipieren. Diese Strategie nennt sich kognitive Defusion. Sie hilft dabei, Gedanken als zufällige und oft widersprüchliche Informationshappen zu sehen. Sie erkennen plötzlich: Der Gedankenstrom bildet keinen roten Faden, sondern hat eher den Charakter einer mit Post-its volltapezierten Wand. Nicht alles, was auf diesen Post-its steht, gehört zur Geschichte und muss geglaubt und ernst genommen werden.
Versuchen Sie, über Ihre Gedanken so zu sprechen, dass klar wird, dass es sich nicht um eine Wahrheit handelt, sondern um Ihre Wahrnehmung. Sie können zum Beispiel den Satz: Das klappt doch eh nicht! umwandeln in: Ich befürchte, dass es nicht klappt! Damit erinnern Sie sich selbst daran, dass Sie hier eine Befürchtung äußern, die Sie über die Zukunft haben, und identifizieren sich nicht sofort mit der Befürchtung. Sie drücken auch aus, dass Sie sich irren könnten. Und damit befreien Sie sich vom Zwang, ihren Gedanken uneingeschränkt glauben zu müssen.
Kognitive Defusion beinhaltet noch viel mehr als dieses Beispiel zeigen kann. Diese Strategie ist nicht leicht umsetzbar, weil sie gegen einen mächtigen Gegner antritt: Die Macht der Gewohnheit. Deshalb muss sie geduldig geübt werden. Aber wenn Sie unter belastendem Grübeln sehr leiden, lohnt es sich, dranzubleiben. Erste Hilfe: Ersetzen Sie Gedanken, die mit „ich bin“ beginnen, mit „Ich denke, dass …“. Tun Sie ab und zu mal das Gegenteil dessen, was Sie denken. Fragen Sie sich: „Was wäre, wenn ich Recht hätte? Was müsste ich dann tun, um mich glücklicher zu fühlen?“. Probieren Sie das anschließend aus. Versuchen Sie, neue Erfahrungen zu machen und den Moment stärker wahrzunehmen: Gerüche, Geräusche, den Blick aus dem Fenster.
Kognitive Defusion ist eine Strategie, die im Rahmen der Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) eingesetzt wird. ACT arbeitet mit Übungen zur Selbstakzeptanz, Achtsamkeit und Handlungsabsichten. Die Wirksamkeit dieser Therapie ist für unterschiedliche Störungen belegt.
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