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Wie schwer wird die Grippewelle?

Die Grippe hat 2 Jahre Pause gemacht. Doch diesen Winter kehrt sie zurück. In Kombination mit Corona könnte das zu einer gefürchteten Doppelwelle führen. Viele fragen sich deshalb: Wie schwer wird die Grippewelle? Das ist gar nicht so leicht vorherzusagen.


Folgt die Grippewelle in Deutschland der in Australien?

Mit Beginn der nasskalten Jahreszeit nehmen traditionell die Atemwegserkrankungen zu. Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldet für die 44. Kalenderwoche die Zirkulation vieler verschiedener Atemwegserreger, hauptsächlich Rhinoviren (Schnupfenviren), Respiratorisches Synzytial-Virus (RSV), Parainfluenzavirus (PIV), Sars-CoV-2 und Influenza-Viren, also Grippe. Die Grippewelle hat laut RKI in der 43. Kalenderwoche begonnen, früher als üblich. Ist das ein Hinweis darauf, dass die Grippewelle in Deutschland der in Australien ähneln könnte?

Dort stiegen die Infektionsfälle bei Grippe in diesem Jahr deutlich früher und stärker an als üblicherweise. Der australische Herbst setzt zu der Zeit ein, wenn in Deutschland der Frühling beginnt. Der Verlauf der Grippesaison auf der Südhalbkugel liefert wichtige Hinweise für den Infektionsverlauf auf der Nordhalbkugel.

In Australien beobachtete man, dass nach dem frühen, steilen Anstieg die Infektionsfälle ebenso schnell wieder abfielen. Ab Mitte Juli sanken die laborbestätigten Grippefälle sogar unter den Durchschnitt der vergangenen 5 Jahre. Allerdings waren dort besonders häufig Kinder und Jugendliche unter 19 Jahren betroffen. 55 % der Personen, die wegen Grippe in ein Krankenhaus mussten, waren Kinder unter 16 Jahren.

Der Stuttgarter Mediziner Markus Rose sieht erste Anzeichen für eine schwere Grippewelle und bezieht sich auf die Daten aus Australien. Er sagt: „Allein im Stuttgarter Olgahospital, der Kinderklinik des Klinikums Stuttgart, liegen zurzeit 7 Kinder mit Lungeninfektionen, die durch Influenzaviren verursacht wurden. Im letzten Jahr hatten wir mit dem Respiratorischen Synzytial-Virus eine ähnliche Situation, auch da waren die hohen Infektionszahlen aus Australien ein Vorbote für das, was uns erwartet hat.“

Doch die Auswertung der Grippewelle auf der Südhalbkugel liefert lediglich Hinweise und erlaubt keine Vorhersage im eigentlichen Sinne. „Der Verlauf einer Grippesaison hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab und lässt sich generell nicht vorhersagen. Die Schwere einer Grippewelle kann immer erst im Nachhinein beurteilt werden“, sagt der Leiter des Nationalen Referenzzentrums für Influenza beim RKI, Wald Dürrwald.
 

Grippe hat sich während der Pandemie verändert

Die Corona-Schutzmaßnahmen der letzten beiden Jahre haben nicht nur Corona-Infektionen reduziert, sondern auch andere Atemwegserreger an der Ausbreitung gehindert. Die Grippe wurde selten. Dadurch starben ganze Abstammungslinien und Grippevarianten aus, weil sich regionale Ausbrüche nicht in andere Gebiete ausbreiten konnten. Die Grippewellen in den gemäßigten Klimazonen, zu der auch Europa zählt, basieren aus Einschleppungen aus anderen Weltregionen. Der Grippe-Subtyp H3N2 stirbt z. B. hier jedes Jahr im Sommer aus. Da er aber in Südostasien dauerhaft verbreitet ist, wird er immer wieder eingetragen. Von ihm stammen 3 der 8 wichtigsten Grippevarianten ab.

Nun scheint die Yamagata-Linie von Influenza B tatsächlich ausgestorben zu sein. Seit April 2020 ist diese Variante nur noch vereinzelt nachgewiesen worden (was vermutlich auf einen Messfehler zurückgeht). Das Verschwinden der Viruslinie ist trotzdem keine gute Nachricht, denn die meisten Fachleute nehmen an, dass dadurch Grippewellen schwerer verlaufen könnten.

Das hat damit zu tun, dass sich zum einen der Immunschutz gegen Grippe abschwächt, wenn man sich längere Zeit nicht infiziert hatte. Zum anderen könnten sich durch das Aussterben von einzelnen Varianten seltener vorkommende Influenzavarianten stärker ausbreiten. Diese seltenen Varianten wiederum werden vom Grippeimpfstoff schlecht abgedeckt und der Immunstatus in der Bevölkerung gegen diese genetischen Linien ist nicht hoch. All das könnte zu mehr Infektionen und schwereren Verläufen führen.

Daten von der Südhalbkugel geben andererseits jedoch Entwarnung. Dort wurde nicht beobachtet, dass die Ausbrüche von seltenen Grippevarianten dominiert waren. So ähnelten z. B. in Argentinien mehr als 90 % der untersuchten Virusproben den im diesjährigen Grippeimpfstoff abgedeckten Varianten. Allerdings weisen vorläufige Effektivitätsuntersuchungen des aktuellen Grippeimpfstoffs darauf hin, dass der diesjährige Impfstoff am unteren Ende des durchschnittlichen Bereichs liegt. Er reduziert das Risiko, ernsthaft zu erkranken, nur um 40 %.

Die Effektivität der Grippeimpfung hängt ohnehin stark vom Alter ab. Einen guten Überblick, wie effektiv Grippe-Impfungen im Durchschnitt sind, geben die Faktenboxen des Harding-Zentrums für Risikokompetenz: für gesunde Erwachsene und für ältere Menschen.
 

Beste Vorsorgemaßnahme: Grippe-Impfungen

Der Stuttgarter Mediziner Markus Rose sagt: „Hierzulande empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) eine Impfung gegen Influenza nicht nur für ältere und chronisch kranke Menschen, sondern auch für Schwangere und Beschäftigte im Gesundheitswesen.“ Viele Fachleute halten es für sehr wichtig, besonders gefährdete Personen auf die Grippe-Impfung hinzuweisen. Die Impfung kann nun auch in Apotheken erfolgen.

Rose sieht aber auch gute Gründe dafür, Kinder bei der Grippe-Impfung nicht zu vergessen. Er meint: „Da Kinder eine wichtige Risikogruppe für die echte Virusgrippe sind, wäre es noch besser, grundsätzlich alle Kinder von 6 Monaten bis 5 Jahren gegen Grippe impfen zu lassen, wie es die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt. Ein klares Argument für eine Impfung ist zudem, dass Kinder eine erhebliche Rolle bei der Übertragung der Viren spielen, deutlich mehr als z. B. bei SARS-CoV-2, und können ungeimpft auch eine Gefahr für abwehrschwache Kontaktpersonen darstellen.“

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