Was Community Health Nurses in der Primärversorgung leisten könnten
Community Health Nurses unterstützen Menschen dabei, ihren Alltag zu bewältigen. Sie bilden eine Schnittstelle zwischen Pflege und sozialer Arbeit. Vor allem Menschen mit chronischen oder Mehrfacherkrankungen, Behinderung oder Pflegebedarf gehören zur Zielgruppe. Die deutsche Übersetzung „Gemeindeschwester“ trifft dabei den Kern und ist verständlich, ist aber aus mehreren Gründen unerwünscht. Zum einen soll sie nicht an historische Vorbilder erinnern, zum anderen ist für das heutige Berufsbild im Masterstudium erworbenes akademisches Wissen erforderlich.
Warum der Konjunktiv überwiegt
Arbeiten könnten Community Health Nurses in Gesundheitszentren, im Öffentlichen Gesundheitsdienst, im Quartiersmanagement oder in der ambulanten Pflege. Die wohnortnahe, auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhende Versorgung sowie die Gesundheitsförderung der Patientinnen und Patienten stehen im Fokus. Eine Besonderheit bei Koordination und Management von Behandlungsprozessen chronisch und multimorbider Menschen besteht darin, dass diese aktiv einbezogen werden. Obwohl der politische Umsetzungswille im aktuellen Koalitionsvertrag der Bundesregierung nachgelesen werden kann (übrigens ebenso wie die geplante Etablierung von Gesundheitskiosken) fällt auf, dass bei Berichten über Community Health Nurses der Konjunktiv überwiegt. Könnte, sollte, wäre, würden …
Bürokratische Hürden und strukturelle Probleme
Bei einer von Elena Zarges moderierten Diskussion auf dem diesjährigen Hauptstadtkongress wurde deutlich, woran es bezüglich Umsetzung noch mangelt. Brigitte Bührlen von der Stiftung pflegender Angehöriger berichtete über so hohe bürokratische Hürden, dass Leistungen für CHN häufig privat übernommen werden. Sie wünscht sich „eine Art Pflege-ADAC, der Angehörigen die nächsten Schritte erklärt“. Dies könnte hausärztlich tätige Praxisteams entlasten.
Keine Gelder für nutzlose Maßnahmen
Doppelstrukturen würden nicht geschaffen, betonte die Community Health Nurse Melina Hendlmeier von der Deutschen Schmerzgesellschaft: „Community Health Nurses vernetzen Ressourcen, zeigen Wege im Gesundheitssystem auf und bringen ihre pflegerische Sicht in die Öffentlichkeit, sprich in die Gemeinden“, sagte sie. CHN könnten z. B. Wundauflagen verordnen - aufgrund der aktuellen Gesetzgebung dürfen sie es nicht. „Unser evidenzbasierter Ansatz bedeutet, dass wir strukturiert und wissenschaftlich arbeiten. Wir geben keine Gelder für Maßnahmen ohne Nutzen aus.“
Bedarfe von Patientinnen und Patienten berücksichtigen
Kordula Schulz-Asche, Mitglied des Bundestags (Bündnis 90/Die Grünen) und selbst gelernte Krankenschwester, erläuterte mögliche Vorteile: „Benachteiligte Kommunen profitieren von CHN, weil sie unterversorgt oder unversorgt sind.“ Gebraucht würden auch präventive Angebote für Kitas und Schulen zur Vermeidung von Pflegebedürftigkeit und Einsamkeit.
Bei politischen Entscheidungen werde zu wenig an die Bedürfnisse von Betroffenen gedacht, kritisierte Brigitte Bührlen. „Pflegebedürftige Menschen zwischen 18 und 60 Jahren existieren bei uns gar nicht“, so ihre Erfahrung der öffentlichen Wahrnehmung.
Kommunen sollen über alternde Bevölkerung nachdenken
Von wenigen Modellprojekten abgesehen werde die Schnittstelle Pflege – Kommune/Soziales in Deutschland nicht bedient. „Community Health Nurses können das“, so Schulz-Asche. Und: „Jede Gemeinde, die eine Community Health Nurse einstellt, hat Glück, wenn sie eine findet.“
Studieren kann man Community Health Nursing als Masterstudium derzeit in Witten/Herdecke, in Dresden und in München. Gelehrt werden u. a. erweiterte Pflegepraxis, Public Health sowie Forschungskompetenzen in Pflegewissenschaft und Versorgungsforschung. Was Absolventinnen und Absolventen für ihre Berufspraxis noch brauchen, sind gesetzliche Regelungen für ausgeweitete Kompetenzbereiche und Möglichkeiten für eigenverantwortliches Handeln.
Zum Konzept „Community Health Nursing – konzeptionelle Ansatzpunkte für Berufsbild und Curriculum“ (2019) und weitere Informationen lesen Sie hier.
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