Vor- und Nachteile der 4-Tage-Woche
Die Praxis habe überwiegend gute Erfahrungen mit der 4-Tage-Woche gemacht, erzählt Dr. Michael Klinger, der gemeinsam mit seinem Praxispartner Jan Witte die HNO-Praxis führt. Sie hatten das neue Arbeitszeitmodell im letzten Jahr zuerst testweise und dann dauerhaft eingerichtet. Michael Klinger bezweifelt allerdings, dass es sich für jede Praxis eignet. „Das steht und fällt mit den Mitarbeitern.“ Nicht immer passen die individuellen Bedingungen vor Ort sowie die persönlichen Bedürfnisse der Mitarbeiter.
Nicht weniger, sondern anders
Theoretisch können Arztpraxen laut Bundesmantelvertrag Ärzte die Praxis grundsätzlich an einem Wochentag geschlossen halten. Allerdings muss trotzdem die Vorgabe von mindestens 20 Sprechstunden plus 5 offenen Sprechstunden erfüllt werden. Dementsprechend verringert sich bei einer 4-Tage-Woche nicht die gesamte Wochenarbeitszeit - sie wird nur anstatt an 5 an 4 Tagen abgeleistet. Im Falle der HNO-Praxis in Neumünster wurde das Sprechstundenvolumen sogar um eine weitere Stunde erhöht. Trotzdem bewertet Michael Klinger die neue Work-Life-Balance positiv. Sie habe sich für das gesamte Praxisteam spürbar verbessert. „Die MFA freuen sich, am Freitag frei zu haben, und arbeiten dafür gerne an den 4 anderen Tagen entsprechend länger“, erzählt er aus dem Praxisalltag. Dies habe den weiteren Vorteil, dass von Montag bis Donnerstag mehr Personal in der Praxis sei und so mehr technische Leistungen abgearbeitet werden könnten. Allerdings bedeutet das eben auch, dass sich die Arbeit an den verbliebenen Tagen komprimiert und dementsprechend als anstrengender empfunden wird. Michael Klinger dazu: „Das muss man mögen und können“. Seine 5 MFAs, von denen derzeit eine wegen der Kinder nicht arbeitet, sind zufrieden mit dem Modell.
Kein Einfluss auf Personalgewinnung
Schon letztes Jahr rief der Virchow-Bund Arztpraxen dazu auf, mittwochs zu schließen (das PKV Institut berichtete). Der Bund sieht darin die Chance, dass eine 4-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich den Beruf der MFA wieder attraktiver mache.
Diese Hoffnung hegte anfangs auch Michael Klinger. Diese hat sich bis jetzt jedoch nicht erfüllt. Eine probeweise zusätzlich eingestellte MFA fand das erhöhte Arbeitsaufkommen in den 4 Tagen zu anstrengend und gab den Job wieder auf. Seitdem konnte die Stelle auch nicht wieder besetzt werden. Michael Klinger sieht den Grund darin jedoch eher nicht im Arbeitszeitmodell, sondern im nahegelegenen Friedrich-Ebert-Krankenhaus, das viele MFAs beschäftige. „Die Bezahlung im Krankenhaus ist für MFA so viel besser, dass auch eine 4-Tage-Woche offensichtlich nicht als Argument zieht.“
Was sagen die Patienten?
Auch die Patienten haben sich inzwischen an die geänderten Öffnungszeiten gewöhnt. Zu weniger Patienten oder einem finanziellen Verlust hat das Arbeitszeitmodell der Praxis erfreulicherweise nicht geführt. Nachahmer gibt es derzeit in der Region jedoch nicht. Kollegen, mit denen Michael Klinger über das Modell gesprochen hat, sind skeptisch. Die Umstellung würde ihnen schwerfallen.
Frauen wollen Veränderung
Nicht nur in der Gesundheitsbranche werden flexible, neue Arbeitsmodelle diskutiert. Eine Umfrage des Software-Unternehmens Ivanti mit insgesamt 7.700 Arbeitnehmern (davon 1.200 aus Deutschland) zeigt, dass vor allem Frauen die etablierte 5-Tage-Woche in Vollzeit unattraktiv finden. 65 % von ihnen interessieren sich für nicht traditionelle Arbeitszeitmodelle. 45 % würden sogar ihren Job wechseln, um mehr Flexibilität zu gewinnen. Damit hat das Bedürfnis nach selbstständiger Einteilung der Arbeitszeiten eine höhere Priorität als die räumliche Umgebung durch (teilweises) Homeoffice. 43 % der Befragten würden sich eine 4-Tage-Woche wünschen (43 % Frauen, 33 % Männer).
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