Tag der Zahngesundheit: Fokus auf vulnerable Gruppen
Sie wissen aus Ihrer täglichen Arbeit: Wird die Mundhygiene vernachlässigt, können Erkrankungen auftreten, die die weitere Lebensgestaltung einschränken. Vielen ist nicht bewusst, dass Erkrankungen im Mundraum weitere Erkrankungen auslösen oder verschlimmern können. Unabhängig von Alter und Lebenssituation sind die Risiken und Konsequenzen für zahnmedizinische Probleme für alle gleich. Vulnerable Bevölkerungsgruppen sind allerdings besonders gefährdet.
Was bedeutet „vulnerabel“?
Den Begriff „vulnerabel“ kennen wir spätestens seit der Coronapandemie. Er wird auf Personengruppen angewendet, die als besonders gefährdet, verletzlich oder verwundbar gelten und die durch gezielte Maßnahmen vor einer Infektion geschützt werden sollen. Manche empfanden bzw. empfinden die ergriffenen Maßnahmen als übertrieben, was der Bezeichnung „vulnerabel“ einen negativen Beigeschmack verlieh. Das tut dem Begriff allerdings unrecht. Vulnerable Personen benötigen tatsächlich mehr Hilfe und sollten im positiven Sinne in Ihrem Praxisalltag mit Fürsorge und Unterstützung bedacht werden.
Welche Personengruppen gelten als vulnerabel?
Armut macht viele Menschen vulnerabel (in Deutschland gelten knapp 17 % der Bevölkerung als armutsgefährdet), aber auch der gewählte Lebensstil kann Menschen vulnerabel machen. Die größten Risikofaktoren für Vulnerabilität und damit eine schlechte Mundgesundheit sind:
- Pflegegrad
- Behinderung
- Armut/Wohnungslosigkeit
- Fluchterfahrung
- psychische Erkrankung
Oft sind Kinder, Senioren und Menschen mit Behinderung besonders vulnerabel. Aber auch Patienten mit beginnenden oder bestehenden Depressionen sind betroffen. Menschen, die mit Problemen kämpfen oder überfordert sind, neigen dazu, die Körperhygiene zu vernachlässigen. Meist zeigt sich dies zuerst im Mundraum. Legen sonst gut gepflegte Personen plötzlich eine schlechte Mundhygiene an den Tag, lehnen bei Kontrollterminen Leistungen ab, um „schnell wieder rauszukommen“ oder wollen keine jährliche Zahnsteinentfernung, kann dies ein Indiz für eine Gefährdung sein.
Was können Sie tun?
Kontrollieren Sie Ihre Stammpatienten gezielt. Sehen Sie Veränderungen, machen Sie darauf aufmerksam. Aber Vorsicht: Nicht jede Verschlechterung muss einen ernsten Grund haben. Machen Sie kleine Hilfsangebote und schlagen Sie Unterstützung vor. Betroffene müssen wissen, welchen Risiken sie ausgesetzt sind und welche Konsequenzen drohen. Mitunter lassen sich Verschlechterungen des Allgemeinzustands auch anhand des Anamnesebogens erklären. Manchmal sind schlecht eingestellte Medikamente oder ein unentdeckter Diabetes der Grund für die Verschlechterung. Ist der Zustand bedenklich, holen Sie die betreuende Haus- bzw. Facharztpraxis ins Boot. Die zahnärztliche Verantwortung endet nicht an der Praxistür.
Leistungsangebote der GKV nutzen
Die GKV stellt je nach Alter oder Pflegegrad zusätzliche Leistungen zur Verfügung. Bieten Sie diese Zusatztermine offensiv an, denn die meisten KZV-Bereiche bieten für vulnerable Patientengruppen die Möglichkeit, diese Leistungen außerhalb des Budgets zu berechnen. Sie sind also nicht budgetrelevant.
So sichern Sie sich die Zusatzleistungen der GKV:
- Erfassen Sie alle Patientinnen und Patienten, die Anspruch auf Zusatzleistungen haben (Abfrage des Pflegegrads im Anamnesebogen!). Nutzen Sie dafür den Katalog der GKV-Leistungen weiter unten.
- Bieten Sie im nächsten Schritt feste Terminketten an und signalisieren Sie, dass die Zusatzleistung speziell für Betroffene erbracht wird.
Wichtig: Personen mit Pflegegrad haben unter Umständen Schwierigkeiten, Ihre Praxis zu erreichen. Fragen Sie gezielt nach und unterstützen Sie bei der Lösung.
Die halbjährliche Kontrolle gemäß BEMA 01 steht allen gesetzlich Versicherten zu. Diese Grundleistung bieten Sie unabhängig von Lebenssituation, Alter oder Erkrankung an:
- BEMA 01 (je Halbjahr mit Abstand von 4 Monaten), BEMA 107 – Entfernung harter Zahnbeläge (1-mal im Jahr)
Die wichtigsten GKV-Leistungen für vulnerable Gruppen
Personen mit Pflegegrad sowie Kinder und Jugendliche haben Anspruch auf gezielte Leistungen. Bieten Sie diese Leistungen lückenlos an. Sie sind in vielen KZV-Bereichen vom Budget ausgeschlossen und daher wirtschaftlich attraktiv.
- Leistungen bei Pflegegrad oder Eingliederungshilfe
Versicherten mit Pflegegrad nach § 15 SGB XI oder Eingliederungshilfe nach § 99 SGB IX erhalten je 1-mal je Kalenderhalbjahr:- 107a: Entfernen harter Zahnbeläge
- 174 a: Präventive zahnärztliche Leistungen: Mundgesundheitsstatus und individueller Mundgesundheitsplan
- 174 b: Präventive zahnärztliche Leistungen: Mundgesundheitsaufklärung
- Leistungen für Kinder und Jugendliche
- FU 1 a–c : Früherkennungsuntersuchungen ab dem 6. Lebensmonat bis zum vollendeten 33. Lebensmonat in fest vorgeschriebenen Abständen
- Zur FU 1 a–c: FuPr – Praktische Anleitung der Betreuungspersonen zur Mundhygiene beim Kind, FLA – Fluoridlackanwendung zur Zahnschmelzhärtung
- FU 2: Zahnärztliche Früherkennungsuntersuchung eines Kindes vom 34. bis zum vollendeten 72. Lebensmonat (3-mal mit Abstand von 12 Monaten)
- Zur FU 2: FLA – Fluoridlackanwendung zur Zahnschmelzhärtung
- IP 1, IP 2, IP 4, IP 5 nach Bestimmungen und Richtlinie, ab dem 7. bis zum vollendeten 18. Lebensjahr (vom vollendeten sechsten, bis zum vollendeten 17. Lebensjahr).
Wichtig: Leistungen für Kinder und Jugendliche sind kombinierbar. Das bedeutet: Kinder mit Pflegegrad oder Eingliederungshilfe bekommen neben den FU- und IP-Leistungen auch die 107a, 174a/174b (allerdings nicht in der gleichen Sitzung!).
Delegation an ZFA nutzen!
Viele Leistungen sind delegierfähig und können von einer geschulten ZFA erbracht werden. Mit Blick auf die strengen Budgetierungen bringt dies eine gewisse Entlastung. Eine Rücksprache mit der regionalen KZV gibt Ihnen wirtschaftliche Sicherheit bei Detailfragen.
Hier gibt es weitere Informationen zum Tag der Zahngesundheit am 25. September 2023: Gesund beginnt im Mund – für alle!
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