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Stimmung eingetrübt – immer mehr Arztpraxen schließen vorzeitig

Die Praxis bis zum regulären Ruhestand zu betreiben kommt für immer weniger Ärzte in Betracht. Als Begründung nennen viele die unrentable Kostensituation. Auch die zunehmenden Ansprüche und Übergriffe von Patienten könnten eine Rolle spielen.

Nur 51 % der Vertragsärzte und Psychotherapeuten gehen davon aus, ihre Praxis bis zum regulären Ruhestand zu führen, wie eine aktuelle Umfrage des Zentralinstituts kassenärztlicher Versorgung (Zi) ergab. Dafür befragte das Zi 68.000 niedergelassene Ärzte und Psychotherapeuten, davon 4.000 Praxisinhaber. 20 % haben laut ihren Angaben die Altersversorgung bereits abgesichert, 14 % möchten zukünftig lieber angestellt arbeiten, 8 % planen, ihre Praxis privat weiterzuführen. Jeder fünfte vorzeitige Ruheständler gab zu hohe Praxiskosten sowie den Fachkräftemangel als Ausstiegsmotiv an. Auch die überbordende Bürokratie macht den Ärzten zu schaffen. Im Schnitt muss jede Praxis im Jahr 61 Tage für deren Bearbeitung aufwenden. Das Zi bezeichnete die allgemeine Stimmung unter Praxisinhabern als eingetrübt. 
 

Kostensituation gefährdet Versorgung 

Die Lage könnte sich so sehr verschlechtern, dass eine wohnortnahe Versorgung der Patienten in akuter Gefahr sei. Das Zi verzeichnet aktuell landesweit 99.000 Praxen, die 578 Millionen Behandlungsfälle pro Jahr versorgen und in denen es zu einer Milliarde Arzt-Patienten-Kontakte im niedergelassenen Bereich kommt. 

Die durchschnittlichen Aufwendungen je Arztpraxis lagen 2022 bei 466.000 Euro und somit 11 % über dem Vorjahreswert, berichtet das Statistische Bundesamt. Zum Vergleich: Die allgemeinen Verbraucherpreise haben sich im gleichen Zeitraum um 6,9 % verteuert.

Personalkosten sind für viele Arztpraxen einer der größten Posten. Im Schnitt entfielen 2022 darauf pro Jahr 225.000 Euro für angestellte Ärzte, MFAs und weitere Mitarbeiter. 2021 waren es nur 203.000 Euro. 

Zwar sind die durchschnittlichen Einnahmen um 5,3 % auf 796.000 Euro gestiegen, durch die hohen Aufwendungen liegt der Reinertrag jedoch bei durchschnittlich 331.000 Euro und damit 1,5 % unter dem von 2021*. Für die Angaben des Statistischen Bundesamts werden stichprobenartig maximal 7 % der Praxen analysiert und die Zahlen auf die Gesamtheit hochgerechnet. Somit sind die genannten Durchschnittswerte stark von Praxen mit sehr hohen Einnahmen und Aufwendungen beeinflusst. Die Hälfte aller Praxen verzeichnete im Mittel Einnahmen bis 487.000 Euro und einen Reinertrag von höchstens 230.000 Euro.

Wie in den Arztpraxen sanken auch in Zahnarztpraxen und psychotherapeutischen Praxen im Jahr 2022 die durchschnittlichen Reinerträge: In Zahnarztpraxen führten gegenüber dem Vorjahr nahezu unveränderte Durchschnittseinnahmen von 790.000 Euro je Praxis (2021: 791.000 Euro) und um 7,1 % höhere Aufwendungen zu einem Rückgang des Reinertrags je Praxis um 13,5 % auf 243.000 Euro (2021: 281 000 Euro).

„Viele Praxisführende machen damit Jahr für Jahr ein reales Minus“, sagte der Vorstandsvorsitzende des Zi, Dr. Dominik von Stillfried. Derzeit laufen die Honorarverhandlungen zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und dem GKV-Spitzenverband. 
 

Gewalt nimmt zu

Die mangelnde Freude am Beruf sowohl von Ärzten als auch von MFAs könnte zudem an der gestiegenen Gewaltbereitschaft von Patienten liegen (wir berichteten). Eine aktuelle Umfrage der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) ergibt erschreckende Zahlen: 

  • 80 % der Ärzte, Psychotherapeuten und MFAs haben im vergangenen Jahr selbst verbale Gewalt erlebt, häufig sogar mehrfach.
  • 14 % haben deswegen die Polizei eingeschaltet oder Anzeige erstattet.
  • Rund 43 % der Ärzte, Psychotherapeuten und MFAs haben in den vergangenen 5 Jahren bereits körperliche Gewalt erlebt.
  • Ein Drittel der Praxen hat daher Vorkehrungen getroffen und beispielsweise ein Notrufsystem installieren lassen. Auch die Entfernung potenziell gefährlicher Gegenstände oder gezielte Schulung des Personals sind häufig erfolgte Maßnahmen. 


Als Grund für die gestiegene Gewaltbereitschaft sehen viele Betroffene in einem zunehmenden Anspruchsdenken von Patienten. Häufig entbrennt der Konflikt an Terminen, Rezepten oder Untersuchungen, die nicht zur Zufriedenheit der Patienten vergeben werden. 

* Der Reinertrag ist nicht identisch mit dem Einkommen der Ärzte. Er stellt zwar das Ergebnis des Geschäftsjahres der Praxis dar, berücksichtigt aber u.a. nicht die Aufwendungen für Praxisübernahme und die Aufwendungen privater Natur für die Alters-, Invaliditäts-, Hinterbliebenen- und Krankenversicherung der Praxisinhaber und deren Familienangehörigen sowie die Beiträge zu Versorgungseinrichtungen der Praxisinhaber.

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