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Schwierigen Patienten Grenzen zu setzen kann man trainieren

Sie kennen sie alle: die Netten, die Ihnen am Montag selbstgebackenen Kuchen mitbringen. Die Ungeduldigen, die Ihnen übers Wochenende mehrmals auf den Anrufbeantworter sprechen. Die Frühaufsteher, die seit 6 Uhr auf der Treppe vor Ihrer Praxis wandeln. Die Lauten, die Ihre Ansagen nicht akzeptieren. Die einen empfinden Sie als angenehm, die anderen als schwierig. Grenzen setzen gelingt freundlich, aber bestimmt.

Jede MFA und ZFA lernt in der Ausbildung die Grundlagen der Kommunikation. Sie als Praxismanagerin verfügen in den meisten Fällen über tiefergehende Kenntnisse. In den letzten 2 Jahren waren Ihre Gesprächskünste mehr als zuvor gefragt. Ein nicht abebbender Patientenstrom. Laufend neue Hygieneregeln. Extrem kurzfristige politische Entscheidungen, die manchmal schon am nächsten Morgen von Ihnen umgesetzt werden mussten. Personalausfälle. Zumutbarkeitsdiskussionen. Wer die enorme Mehrbelastung unbeschadet überstehen will, braucht Nerven aus Stahl. Oder?

Gehen wir davon aus, Sie lieben Ihren Beruf wie am ersten Tag. Dennoch erleben auch Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit Tage, an denen Sie sich „am Rande des Wahnsinns“ fühlen, wie jüngst in einer Hausarztpraxis gehört. Die Geschehnisse von außen können Sie nicht ändern. Wie Sie damit umgehen, schon. Und das fängt bei Ihnen selbst an.
 

Gewaltfrei kommunizieren erhöht Kooperation

Zuerst an sich denken? Klingt paradox? Das von dem amerikanischen Psychologen Marshall Rosenberg vor über 50 Jahren entwickelte Konzept der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) kann Sie unterstützen, Ihre innere Grundhaltung so zu trainieren, dass Ihr Gegenüber kooperationsbereit(er) wird. Rosenberg ging davon aus, dass Menschen soziale Wesen sind, die das Leben anderer Menschen verbessern und Konflikte friedlich lösen wollen. Dazu gehörten für ihn Empathie, Selbstempathie und die Fähigkeit, selbst offen und achtsam zu kommunizieren.

Wenn Sie eine temperamentvolle Fachkraft sind, die gewöhnlich schnell reagiert, weil sie effizient arbeiten möchte, könnte hier Ihre Lernkurve beginnen:

  • Beobachten Sie, ohne zu bewerten.
  • Nehmen Sie Ihre Gefühle wahr und übernehmen Sie Verantwortung dafür.
  • Drücken Sie Ihre emotionalen Bedürfnisse aus.
  • Bitten Sie, statt zu fordern

 

Wie könnte das praktisch aussehen?

Alfons Ungeduldig betritt die Praxis, knallt Ihnen ohne Gruß einen Brief auf den Empfangstresen und trommelt mit den Fingern auf die Platte. Sie sprechen mit einer anderen Patientin. Herr Ungeduldig bemerkt nicht, dass er noch nicht an der Reihe ist.

Statt einem verärgerten „So geht’s aber nicht!“ könnten Sie Herrn Ungeduldig mit einem Blick zu verstehen geben, dass Sie gleich für ihn da sind. Die Patientin leiten Sie direkt in den Vorbereitungsraum. Zurück am Empfang begrüßen Sie Herrn Ungeduldig ohne jeden Vorwurf und sagen ihm freundlich zugewandt: „Jetzt bin ich ganz für Sie da und wir sprechen in Ruhe.“ Je nachdem, wie gut Sie ihn kennen, könnten Sie fragen: „Was für einen Brief haben Sie mitgebracht?“ Im besten Fall ist hier die Situation schon deeskaliert – Herr Ungeduldig merkt selbst, dass er sich unangemessen verhalten hat und entschuldigt sich. Sie bitten ihn, im Wartezimmer Platz zu nehmen und fügen eine orientierende Information zur wahrscheinlichen Wartezeit hinzu. Beispiel: „Ich mache das Rezept fertig und der Doktor schaut sich dann den Bericht an. Sobald das Rezept unterschrieben ist, bekommen Sie es von uns. Das kann so ca. 30 – 45 Minuten dauern.“
 

Die Gratwanderung mit Herrn Ungeduldig

Zu Ihren Kompetenzen als Praxismanagerin zählt, medizinische Dringlichkeiten einzuschätzen. Sind Sie unsicher, fragen Sie ihre Praxisleitung und kommunizieren Ihr Vorgehen: „Herr Ungeduldig, wir haben gerade Infektionssprechstunde. Ich frage Frau Doktor, ob Sie heute warten müssen oder ob ich Ihnen einen Termin für morgen geben kann.“

Bis dahin alles entspannt?

Wenn nicht, kommt Ihre Herausforderung.

Rory Miller, ein amerikanischer Gewaltschutzexperte, hat die Regeln knackig und kurz zusammengefasst:

  1. Erkläre deine Grenze.
  2. Wiederhole deine Erklärung.
  3. Erkläre die mit dem Nicht-Befolgen verbundene Konsequenz.
  4. Setze die Strafe um.
     

Beispiel:

Herr Ungeduldig schreit: „Das kann doch nicht wahr sein, dass ich jetzt hier so lange warten muss.“

Beginnen Sie keine Debatte! Bleiben Sie freundlich und sachlich. „Herr Ungeduldig, lassen Sie uns bitte ruhig miteinander sprechen. Ich verstehe Sie dann wesentlich besser und wir können regeln, was Sie bis zum Termin benötigen.“

Ignoriert er alle Ansagen, zeigen Sie ihm klar, dass Sie sein Verhalten nicht akzeptieren. „Ich möchte nicht, dass Sie hier so herumbrüllen. Ich muss Sie hinaus bitten, wenn wir nicht angemessen miteinander reden können.“

Reagiert er nicht, wiederholen Sie das Gesagte.
 

Kein Rezept für alle Fälle

Diese Beispieltipps sind kein Rezept für alle denkbaren Praxissituationen. Für Menschen mit psychischen Erkrankungen beispielsweise oder Personen unter Alkohol- oder Drogeneinfluss sind sie unter Umständen nicht anzuwenden.

Üben Sie im Alltag, beim Einkaufen, in öffentlichen Verkehrsmitteln oder in Behörden gewaltfrei zu kommunizieren: Sie werden staunen, wie sich ihre verbalen Fähigkeiten in Stresssituationen verändern und wie viel leichter Sie Grenzen setzen können, wenn es nötig ist.

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