Schwangerschaftsabbrüche: Erste Leitlinie vorgestellt
Etwa 100.000 Schwangerschaftsabbrüche pro Jahr
In Deutschland gehört ein Schwangerschaftsabbruch zur Gesundheitsvorsorge und wird ca. 100.000 Mal im Jahr vorgenommen – Tendenz leicht abnehmend. Trotzdem ist erst jetzt eine Leitlinie zu diesem recht häufigen Eingriff erschienen. Das hat wohl vor allem mit der Rechtslage zu tun, denn nach wie vor ist ein Abbruch rechtswidrig und nur unter bestimmten Voraussetzungen straffrei. Schwangere machen sich nicht strafbar, wenn sie innerhalb der ersten 12 Schwangerschaftswochen abbrechen lassen, sich mindestens 3 Tage vor dem Eingriff in einer staatlich anerkannten Konfliktberatungsstelle beraten und den Abbruch nicht von einem Arzt durchführen lassen, der sie zuvor in diesem Rahmen beraten hat. Eine andere zulässige Voraussetzung ist, dass der Abbruch aus medizinischen Gründen notwendig ist, also um die Gesundheit der Schwangeren nicht zu gefährden. Das betrifft etwa 4 % der Abbrüche. Rechtskonform kann ein Abbruch auch sein, wenn es eine kriminologische Indikation gibt.
Das Bundesgesundheitsministerium (seinerzeit unter der Führung von Jens Spahn (CDU)), hatte die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) gebeten, die Erarbeitung der Leitlinie zu koordinieren. Anlass war die Abschaffung von § 219a des Strafgesetzbuchs, der ein Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche vorgesehen hatte. Aufgrund dieses Werbeverbots waren viele Ärztinnen verklagt worden, wenn sie z. B: auf ihrer Website über Schwangerschaftsabbrüche informierten.
Schwangere, die über eine Abtreibung nachdenken, hatten aufgrund dieser Rechtslage große Schwierigkeiten, an verlässliche medizinische Informationen zu kommen. Geplant ist, im Laufe des Jahres auch eine Patientenleitlinie zu erstellen, die die Infos in verständlicher Sprache zur Verfügung stellt. Weiterhin soll die aktuelle Leitlinie möglichst schnell aktualisiert werden. Aufgrund von Lücken in der Studienlage sind viele der Handlungsempfehlungen zwar unter hohem Konsens der beteiligten Expertinnen in die Leitlinie aufgenommen worden, es gibt aber weiterhin einige offene. Sie sollen möglichst schnell geklärt werden und so eine Heraufstufung der Leitlinienklasse S2k auf die höchste Klasse S3 möglichst bald erfolgen.
Je früher, desto weniger Komplikationen
Die Handlungsempfehlungen werden nach Ansicht des Leitlinienkoordinators Matthias David von der DGGG zwar längst in der Praxis „gelebt“, dennoch wird erwartet, dass sie die Versorgung der Patientinnen verbessern kann. Zusätzlich zum Beratungsgespräch sollten Ärztinnen nach Vorerkrankungen fragen, eine körperliche Untersuchung durchführen, das Vorliegen der Schwangerschaft bestätigen sowie den Schwangerschaftsstatus bestimmen und dokumentieren. Wenn sich für einen Abbruch entschieden wird, sollte die Schwangerschaft zum frühestmöglichen Zeitpunkt abgebrochen werden. Je früher die Abtreibung durchgeführt wird, desto weniger Komplikationen treten auf.
Für den Abbruch stehen 3 Methoden zur Verfügung:
- Absaugung
- Ausschabung
- Medikamentöser Abbruch
Mehr Hausärzte ins Boot holen?
Die durch Gerichtsprozesse bekannt gewordene Allgemeinmedizinerin Kristina Hänel war für die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) an der Leitlinienerstellung beteiligt. Sie führt seit 40 Jahren Schwangerschaftsabbrüche durch, seit 20 Jahren auch medikamentöse. Sie plädiert dafür, dass mehr Hausärztinnen Abtreibungen anbieten. Die Zahl der Praxen und Kliniken, die Abbrüche durchführen, ist seit 2003 von 2.030 auf 1.093 im Jahr 2021 abgesunken, hat sich also fast halbiert. Hänel sieht deshalb bestehende Versorgungsengpässe. Dem widerspricht Leitlinien-Koordinator David. Wenn man eine maximale Fahrtzeit von 2 Stunden zugrunde lege, bestehe ein Engpass höchstens im südbayerischen Raum und auf den Nordseeinseln.
In Deutschland werden ca. ein Drittel der Abbrüche medikamentös durchgeführt und mehr als die Hälfte mit der Absaugmethode. In Schweden und Großbritannien werden hingegen 80 % der Abbrüche medikamentös vorgenommen. Die Datenlage ist allerdings zu einigen Fragen noch lückenhaft, z. B. bei welcher Methode weniger Nebenwirkungen auftreten und welche Maßnahmen in der Nachsorge mehr Vorteile bringen als andere. Zu diesen Fragen soll sich das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) äußern und Evidenzberichte erstellen, die in die nächste Leitlinienversion eingearbeitet werden.
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