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Krisensitzung: Niedergelassene verabschieden Forderungskatalog an Politik, um den Praxenkollaps zu verhindern

SOS steht in großen Lettern auf der Bühne im Berliner Mariott Hotel. Hier fand am 18. August 2023 eine Krisensitzung statt, an der Hunderte Niedergelassene aus dem gesamten Bundesgebiet teilnahmen. Die deutsche Ärzte- und Psychotherapeutenschaft sieht die ambulante Versorgung stark gefährdet.

Das Motto des Tages steht als Hashtag auf der Leinwand: #Praxenkollaps verhindern. „Die Praxen in Deutschland arbeiten längst über dem Limit. Deshalb fordern wir die Politik auf: Halten Sie Ihre Versprechen und handeln Sie endlich! Verhindern Sie das Aus der ambulanten Versorgung“, machte der KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Andreas Gassen deutlich.

 

#PraxenKollaps – Praxis weg. Gesundheit weg.

Die Delegierten der Vertreterversammlungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der 17 Kassenärztlichen Vereinigungen erläuterten in teils emotionalen Kurz-Statements, was sich warum dringend ändern muss. Einstimmig verabschiedeten die Anwesenden 7 zentrale Forderungen an die Politik, insbesondere an Gesundheitsminister Lauterbach.

 

Das sind die 7 Forderungen an die Politik

  1. Tragfähige Finanzierung: Retten Sie die Praxen aus den faktischen Minusrunden und sorgen Sie für eine tragfähige Finanzierung, die auch in der ambulanten Gesundheitsversorgung insbesondere Inflation und Kostensteigerungen unmittelbar berücksichtigt!
  2. Abschaffung der Budgets: Beenden Sie die Budgetierung, damit auch Praxen endlich für alle Leistungen bezahlt werden, die sie tagtäglich erbringen!
  3. Ambulantisierung: Setzen Sie die angekündigte Ambulantisierung jetzt um – mit gleichen Spielregeln für Krankenhäuser und Praxen!
  4. Sinnvolle Digitalisierung: Lösen Sie mit der Digitalisierung bestehende Versorgungsprobleme. Sorgen Sie für nutzerfreundliche und funktionstüchtige Technik sowie die entsprechende Finanzierung, und belassen Sie die datengestützte Patientensteuerung in ärztlichen und psychotherapeutischen Händen!
  5. Mehr Weiterbildung in Praxen: Stärken Sie die ärztliche und psychotherapeutische Weiterbildung! Diese muss – um medizinisch und technisch auf dem aktuellen Stand zu sein – schwerpunktmäßig ambulant stattfinden. Beziehen Sie auch hier die niedergelassene Vertragsärzte- und Psychotherapeutenschaft ein!
  6. Weniger Bürokratie: Schnüren Sie das angekündigte Bürokratieabbaupaket, damit wieder die Medizin im Vordergrund steht und nicht der „Papierkram“!
  7. Keine Regresse: Schaffen Sie die medizinisch unsinnigen Wirtschaftlichkeitsprüfungen ab! Die Arzneimittelregresse müssen weg!

 

Der Forderungskatalog der Praxen sowie 9-seitige Erläuterungen zu den Forderungen und Lösungsvorschläge der KBV können im Internet heruntergeladen und ausgehangen oder verteilt werden. Der Bundesgesundheitsminister wurde aufgefordert, bis zum 13. September 2023 zu den einzelnen Forderungen Stellung zu beziehen und konkrete Umsetzungsschritte zu benennen.

 

Die Rolle der Medizinischen Fachangestellten

Berufsvertreterinnen kamen in der Krisensitzung selbst nicht zu Wort, aber der Verband medizinischer Fachberufe (vmf) war mit einem Stand vertreten. Mehrere KV-Vertreter und- Vertreterinnen hoben das Engagement der MFAs in ihren Statements deutlich hervor. Sind sie es doch, die ebenso wie die niedergelassenen Ärzte unter überbordender Bürokratie leiden. Etwa 60 Tage im Jahr, also ein Quartal, müsse für die Verwaltung gearbeitet werden. Mediziner und Praxispersonal wollen jedoch ihre Patientinnen und Patienten gut ambulant versorgen können. Die Ärzteschaft sei klar für die Digitalisierung, wenn sie eine bessere Patientenbehandlung ermöglicht. Unausgereifte Technologien dürften nicht eingesetzt werden und die Androhung von Sanktionen sei zu unterlassen. Der Vertreter der Psychotherapeuten monierte, dass trotz um 40 % gestiegener Nachfrage ambulanter Behandlungen in der Corona-Pandemie bisher kein Mehrwert durch Digitalisierung für Praxen feststellbar sei.

 

Werbung für Unterstützung der Praxisteams

Dr. med. Stefan Trapp, Vorsitzender der KV Bremen, fragte, ob hinter dem finanziellen Austrocknen der ambulanten Versorgung Ahnungslosigkeit oder ein Plan stecke. Es gehe nicht nur um die Finanzierung der Ärzte, sondern auch der Praxisteams. „Die MFA bilden die größte Berufsgruppe in unseren Praxen“, erinnerte er und sagte: „Sie mögen ihren Beruf, trotzdem gehen sie uns flöten.“ Aus einer Umfrage wisse man, dass sie in besser bezahlte Bereiche abgeworben werden. „Unterstützen Sie die MFA und den VmF – das sind die Guten, wir sind zusammen“, forderte Trapp auf.

Bezüglich e-Rezept und ePA fand die Vorstandsvorsitzende der KV Schleswig-Holstein, Dr. med. Monika Schliffke, klare Worte: „Ich nenne es digitale Vergewaltigung.“ Ständige All-inklusive-Versprechungen des Ministers sei man nicht mehr bereit auszubaden. Auch an 180 Millionen Corona-Impfungen erinnerte sie, die „mal so nebenbei ausgeführt“ werden mussten und in einer Praxis nicht mal ein Drittel von dem kosteten, was sie in den Zentren kosteten. „MFA haben mit uns bis zur Erschöpfung gekämpft, jetzt sind sie weg.“

Die ambulante Gesundheitsversorgung müsse krisenfest gemacht werden. Dafür erwarten die Funktionäre Gesetzesentwürfe bis zum Jahresende 2023. Sollte nichts passieren, sei die Krisensitzung nur der Auftakt von weiteren Protesten gewesen.

 

Kampagne der KZBV: Zähne zeigen

Auch die Zahnärzteschaft hat auf die infolge des 2022 verabschiedeten Finanzstabilisierungsgesetzes gekürzten Mittel für zahnärztliche Leistungen reagiert. Diese wirkte sich besonders auf die neu eingeführte Versorgungsstrecke bei der Parodontitis negativ aus. Das Sparen auf Kosten der Gesundheit und der zahnärztlichen Versorgung gefährde die neue präventionsorientierte Parodontitis-Versorgungsstrecke – „mit fatalen Auswirkungen für die Gesundheit unserer Patientinnen und Patienten“. Weitere Folgen der strikten Budgetierung:

  • Hohe Energiekosten und Inflation können nicht aufgefangen werden
  • Verschärfung des Fachkräftemangels
  • Erschwerte Bedingungen für Praxisübernahmen und Neugründungen und die Gefahr zusätzlicher Praxisschließungen
  • Beschleunigung von Praxissterben auf dem Land

 

Die KZBV rief deshalb die Kampagne „Zähne zeigen“ ins Leben. Online sind diverse Möglichkeiten aufgezeigt, wie man sie unterstützen kann.

 

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