Jugendlichen fehlen die passenden Perspektiven
Besonders in Bundesländern, in denen Jugendliche einen Mangel an Ausbildungsplätzen beklagen, herrscht Pessimismus. Jeweils ca. 50 % der Schulabgängerinnen in Berlin und Bremen machen sich Sorgen, einen geeigneten Ausbildungsplatz zu finden. Insbesondere Jugendliche mit niedriger und mittlerer Schulbildung haben Angst, keine Stelle zu finden. Und diejenigen mit höherer Schulbildung streben wieder stärker ein Studium an, weil sie aufgrund der Corona-Pandemie schlechter Zugang zu Praktika und Berufsorientierungsmöglichkeiten hatten. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Studie der Bertelsmann-Stiftung.
Dabei ist die Situation auf dem Arbeitsmarkt genau entgegengesetzt. Viele Betriebe suchen händeringend nach Nachwuchs und finden zu wenig geeignete Bewerberinnen. Besonders in Bundesländern mit einem hohen Angebot an Ausbildungsplätzen fehlt es an Interessenten. Der Fachkräftemangel wird auch dadurch verschärft, dass geburtenstarke Jahrgänge in Rente gehen.
Mit welchen Ideen sollen die Jugendlichen leichter zu Ausbildungsplätzen finden, die zu ihren Interessen und Fähigkeiten passen?
Ideen, um Praxisnachwuchs zu gewinnen und zu halten
Praxisbetriebe stehen – wie alle anderen Betriebe auch – in einem Wettstreit um passende Auszubildende. Während es Praxen gibt, die kaum Schwierigkeiten haben, leiden andere sehr stark unter fehlendem Nachwuchs. Woran liegt das?
Oft hat es mit sogenannten weichen Faktoren zu tun. Dazu gehört auf der Praxisseite die Kultur im Betrieb. Welcher Umgangston herrscht? Wie ist das Verhältnis zur Praxisleitung? Wie ist die Ausstattung der Praxis? Auf der Seite der Bewerberinnen zählen Kommunikationsstil, Auffassungsgabe und Resilienz zu den entscheidenden Soft Skills.
Betriebe, die Schwierigkeiten haben, Bewerberinnen anzustellen, die zu ihnen passen, können sich fragen, ob sie selbst etwas tun können, um die Voraussetzungen zu verbessern. Gibt es Arbeitsbedingungen, die eher abschrecken? Oder andere Störfaktoren? Eine (anonyme) Umfrage unter den MFAs kann auf die Sprünge helfen, wenn wiederholt Auszubildende abbrechen.
Fragen Sie sich auch, ob Sie mehr tun können, um sich als attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren, z. B. auf Berufsinformationsbörsen oder an Schulen. Bieten Sie Schnuppertage für Azubis an und machen Sie sich Gedanken, ob sich die Anfangszeit der Ausbildung verbessern lässt. Gerade am Anfang entscheidet sich oft, ob Sie Mitarbeiter für die Praxis begeistern können.
Probleme sind auch in der verfehlten Schulpolitik der Pandemiejahre zu suchen
Junge Menschen wollen spüren, dass sie wichtig sind. Vielleicht lassen sich spezielle Projekte für sie etablieren? Ein Azubi-Grillfest – von Auszubildenden organisiert für die gesamte Belegschaft? Oder ein Betriebsausflug, bei dem sie das Ziel bestimmen dürfen. Oder spezielle Geschenke zu Weihnachten, die den Interessen der Jugendlichen entsprechen. Möglichkeiten, Wertschätzung auszudrücken, gibt es viele.
Zeigen Sie auch Perspektiven auf. Ziehen Sie nach den ersten 100 Tagen Zwischenbilanz und fragen Sie nach, bei welchen Tätigkeiten sich die Auszubildende wohl fühlt. Überlegen Sie, ob Sie ihr mehr solcher Tätigkeiten übertragen können.
Aber Achtung: Jugendliche haben ein feines Gespür dafür, ob man es ernst mit ihnen meint. Wenn Sie unzufrieden sind, sollten Sie die Kritikpunkte konstruktiv ansprechen und gemeinsam nach Lösungen suchen. Ebenso sollten die Jugendlichen Vertrauen haben, dass ihre Anliegen auf offene Ohren stoßen.
Versuchen Sie sich, in die Situation der Jugendlichen hineinzuversetzen: Wie würde es Ihnen gehen, wenn Sie in fast 3 Jahren Pandemie oft auf sich allein gestellt waren und die öffentliche Diskussion sich hauptsächlich darum drehte, wie sich Wissenslücken schnellstmöglich schließen lassen? Wie würden Sie sich fühlen, wenn kaum jemand fragt, wie es Ihnen psychisch geht, und verlangt, dass Sie trotz aller Schwierigkeiten wie gewohnt funktionieren – und das in einer Lebensphase, in der sich gerade erst die eigene Identität ausbildet?
Viele Jugendliche fühlen sich nach 3 Jahren Pandemie mit ihren Bedürfnissen übersehen. Ein Teil der Probleme auf dem Ausbildungsmarkt hat auch damit zu tun, dass die Schulpolitik der letzten Jahre kaum gefragt hat, was den Schülerinnen wichtig ist.
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