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Hilfe! Nach Corona droht die Adipositas-Welle

Ein paar Kilo zu viel? Das war schon vor der Corona-Pandemie ein gesellschaftliches Thema. Nach den Infektionswellen droht jetzt eine Adipositas-Welle, mahnen Mediziner. Mehrere Studien wiesen nach, dass viele Menschen in den letzten 2 Jahren zum Teil erheblich an Gewicht zunahmen. Während viel über Prävention von Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen bekannt ist, fehlt es an konkreten Handlungsanweisungen. Was MFAs wissen sollten und was sie tun können.

Ein Satz wie „Du hast aber zugenommen!“ kommt bei Kindern und Teenagern nicht gut an. Unerheblich, ob Sie ihn als Eltern, Verwandte oder Praxispersonal aussprechen. Experten für Essstörungen warnen explizit vor solchen Ansprachen. Aber was können Sie tun, wenn Sie sich um Ihre jungen Patienten Sorgen machen, weil Sie wissen, welche gesundheitlichen Folgen unbehandeltes Übergewicht haben kann?

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation waren im Jahr 2016 über 340 Millionen Kinder und Jugendliche im Alter von 5 bis 19 Jahren übergewichtig oder fettleibig. 2020 waren weltweit 39 Millionen unter 5-Jährige übergewichtig oder fettleibig. In wissenschaftlichen Untersuchungen wurde belegt, dass adipöse Kinder statistisch gesehen 63 % öfter gehänselt werden als ihre Altersgenossen. Das schädigt das Selbstbewusstsein, verursacht negative Körpergefühle und kann Depressionen auslösen. Es ist auch bewiesen, dass (manche) Lehrkräfte weniger(er) Leistung von übergewichtigen Kindern erwarten und sie deshalb weniger fördern. Mit weitreichenden Folgen für das spätere Leben.
 

Vom Übergewicht zur Adipositas

Fettleibigkeit ist imdeutschen Gesundheitssystem (noch) keine anerkannte Krankheit, obwohl die WHO Adipositas bereits im Jahr 2000 als Krankheit charakterisierte. Die WHO definiert feste Grenzwerte zur Definition von Übergewicht und Adipositas bei Erwachsenen.

In Deutschland hat die 1998 gegründete Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter (AGA) die Problematik für die medizinische Öffentlichkeit so beschrieben: 

Adipositas ist definiert als eine über das Normalmaß hinausgehende Vermehrung des Körperfetts. Berechnungsgrundlage für die Gewichtsklassifikation ist der Körpermasseindex, der sog. Body Mass Index (BMI). Der BMI ist der Quotient aus Gewicht und Körpergröße zum Quadrat (kg/m2).

Wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse zu Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen sind in einer S3-Leitlinie zusammengefasst und es wurde ein Konsenspapier für qualitativ hochwertige Patientenschulungsprogramme für Kinder und Jugendliche erarbeitet.
 

Nur ein langer Atem führt langfristig zum Erfolg

Die Ursachen für Übergewicht und Adipositas sind vielfältig. Der Mangel an Bewegung und Struktur ist häufig. Aber vor einer Behandlung sind medizinische Ursachen wie hormonelle Störungen ärztlich auszuschließen. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass einzelne Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapien nicht zu langfristigen Abnehmerfolgen führen. Das vielleicht häufigste Missverständnis betrifft den Willen. Richtig ist: Nur zu etwa 10 % können kurzzeitige Gewichtsreduktionen erzielt werden. Langfristige Erfolge erfordern Disziplin und eine Änderung des Lebensstils.

Es gibt zwar Materialien und Instrumente für die Praxis, die eine gesundheitsförderliche Lebensweise vermitteln sollen. Diese haben jedoch meist präventiven Charakter. Beispiele listet ein abgeschlossenes Forschungsprojekt der Charité Berlin auf, in dessen Rahmen Infozettel mit Malvorlagen, Wartezimmer-Poster, ein Memory-Spiel und ein Kinderbuch entwickelt wurden. „Kayas Welt“ beinhaltet auch eine App und eine Website.
 

Was Sie in Ihrer Praxis tun können

Noch existieren – übrigens weltweit – zu wenig Angebote gegen Übergewicht und Adipositas. Als MFA sind Sie Netzwerkerin von Berufs wegen. Das heißt, wenn es in Ihrer Gegend Schulungsprogramme, spezielle Angebote oder Pilotprojekte gibt, sollten Sie sie kennen. Vielleicht gibt es in Ihrer Nähe einen der 90.000 Sportvereine, die innerhalb der aktuellen bundesweiten Bewegungskampagne kostenfreie Sport- und Bewegungsangebote für Kinder und Jugendliche anbieten. Eltern sind dankbar, wenn Sie Informationen und Kontakte vermitteln.

Nach stationären Adipositas-Therapien werden regelmäßige Telefonkontakte für einen dauerhaften Behandlungserfolg empfohlen. Für die Praxisorganisation kann es hilfreich sein, wenn Sie spezielle Zeitfenster organisieren.

Sehr oft werden Sie gefragt, ob dieses oder jenes „normal“ sei. Auch wenn Sie keine dem Arzt vorbehaltenen Stellungnahmen abgeben, ist hilfreich zu wissen, welche evidenzbasierten Empfehlungen zur körperlichen Aktivität es gibt.

So viel durchschnittliche Bewegung pro Tag wird empfohlen für

  • Säuglinge: so viel wie möglich
  • Kindergartenkinder (4 bis 6 Jahre): 180 min und mehr
  • Grundschulkinder (6 bis 11 Jahre): 90 min und mehr
  • Jugendliche: 90 min und mehr
     

Das Sitzen in der Freizeit soll begrenzt werden (nicht nur, um den Medienkonsum zu limitieren):

  • Kinder unter 3 Jahren – 0 min
  • Kinder bis 6 Jahre – maximal 30 min
  • Kinder bis 11 Jahre – maximal 60 min
  • Kinder ab 12 Jahre – maximal 120 min.
     

Wollen Ihre Kinder nach Feierabend mit Ihnen auf den Spiel- oder Sportplatz, gehen Sie mit! Ihr Vorbild wirkt. Versprochen.

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