„Die Krise hat uns zusammengeschweißt und uns mehr Selbstbewusstsein gegeben“
MFA exklusiv: Die Pandemie hat alle, aber insbesondere auch Arzt- und Zahnarztpraxen vor große Aufgaben gestellt. Was war für Sie persönlich und für Ihr Team die größte Herausforderung, die Sie im Rahmen der Pandemie bisher bewältigen mussten?
Julia Otto: Das Schwierigste zu Beginn war ganz klar, die vielen Neuerungen im Team zu kommunizieren. In unserer Praxis arbeiten 7 Ärzte und 12 Kolleginnen. Neben den vielen neuen medizinischen Informationen gab es auch die sich ständig verändernden Regeln zur Abrechnung der Covid-19-Testungen zu beachten. Wir mussten ununterbrochen am Ball bleiben, um keine Informationen zu verpassen. Diese wurden dann gefiltert und strukturiert, um es dem Team so einfach wie möglich zu machen, alles sicher umzusetzen. Nach dem Osterwochenende 2021 nahmen dann die Impfungen Fahrt auf. Am Montagmorgen hatten wir bereits 150 E-Mails mit Impfanfragen in unserer Mailbox. Die Impfwelle überrollte uns und wir haben eine Menge Überstunden gemacht.
MFA exklusiv: Wie sehr hat Ihnen Ihr Qualitätsmanagement dabei geholfen, die Anforderungen der Pandemie zu meistern?
Julia Otto: Gelebtes QM in der Praxis bedeutet, die Prozesse permanent zu überprüfen und nachzujustieren. Wir sind es gewohnt, mit Arbeitsanweisungen und Checklisten zu arbeiten. In der Pandemie haben wir weitere Arbeitsanweisungen und Checklisten geschrieben. Das hat die Kommunikation im Team und die anschließende Umsetzung erleichtert. Unsere bereits vorhandenen Vorlagen im PC haben uns hier viel Zeit gespart. In der Pandemie haben wir unsere Prozesse im Rahmen des QM sehr engmaschig überprüft und immer wieder neu angepasst.
MFA exklusiv: Mussten Sie in den vergangenen 1,5 Jahren Ihre Teamorganisation an die neuen Bedingungen anpassen, etwa Arbeitszeiten erhöhen oder Zuständigkeiten ändern?
Julia Otto: Ja, es waren eine Menge Überstunden nötig und wir mussten vieles umorganisieren. Was den zeitlichen Einsatz anbelangt, waren alle im Team sehr flexibel. Jeder hat sein Bestes gegeben. Wir haben auch die Aufgaben neu verteilt, eine Kollegin hat sich sehr stark bei den Impfungen engagiert. Letztendlich hat sich der Arbeitsaufwand jedoch so stark erhöht, insbesondere auch das Telefonaufkommen, sodass wir dann doch eine weitere Person eingestellt haben.
MFA exklusiv: Wie haben Sie das Impfmanagement in Ihrer Praxis organisiert?
Julia Otto: Weil wir zum Glück die räumlichen Möglichkeiten haben, konnten wir zwei komplett getrennte Bereiche mit separaten Eingängen schaffen. Wir hatten einen separaten Infektpraxisbereich, den wir später auch als Impfbereich genutzt haben. Hier wurde zeitlich getrennt geimpft und die Infektsprechstunde unter Vollschutz abgehalten.
MFA exklusiv: Wie haben sich die großen Herausforderungen der Pandemie auf das Klima in Ihrem Praxisteam ausgewirkt?
Julia Otto: In den Pandemie- und Impfhochzeiten war es eine sehr stressige und nervenaufreibende Zeit, die natürlich auch Spannungen und das eine oder andere Tränchen mit sich brachte. Wir haben uns gegenseitig immer wieder aufgebaut und gelernt, dass man alles schaffen kann, wenn man als Team zusammenhält. Die Krise hat uns zusammengeschweißt und uns mehr Selbstbewusstsein gegeben, weil wir das alles gemeinsam bewältigt haben. Wir haben es als Praxis geschafft, einen großen Teil der Bevölkerung unseres Ortes und darüber hinaus durch die Impfungen zu schützen. Das hat uns noch einmal bewusst gemacht, wie wichtig der Beruf der MFA ist.
MFA exklusiv: Was sind die wichtigsten Lehren, die Sie und Ihre Kolleginnen aus der Pandemiesituation gezogen haben?
Julia Otto: Wir haben nicht mehr den Anspruch, alles bis ins Detail durchzuplanen, und sind entspannter geworden – oft kommt sowieso vieles anders, als man denkt. Wir haben gelernt, Rückschläge und Fehler als Chance anzunehmen und daraus zu lernen. Wir sind alle über uns hinausgewachsen und wissen jetzt, dass es für unser Team so schnell nichts gibt, das uns aus der Bahn werfen kann. Wir haben aber auch gelernt, dass die Work-Life-Balance enorm wichtig ist. Anfangs haben wir die Impfungen durchgepowert, dann aber festgestellt, dass wir zwischendurch auch mal durchatmen müssen, um auf Dauer leistungsfähig zu bleiben. Deshalb haben wir daraufhin unser Pensum neu angepasst. Ganz wichtig ist es, ehrlich zueinander zu sein und keinen falschen Ehrgeiz an den Tag zu legen. Ich glaube, viele von uns MFAs neigen dazu, mehr zu tun, als auf Dauer gesund ist.
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