Corona-Update: Für wen die 4. Impfung sinnvoll ist
Schutz vor schweren Verläufen versus Schutz vor Infektion
Wie es im Herbst mit der Pandemie weitergeht, hängt sehr davon ab, wie gut Impfungen vor der Omicron-Variante schützen. Dabei interessiert vor allem die Frage, wer von einer vierten Impfung profitiert. Sollten alle Menschen zum Herbst ein viertes Mal geimpft werden, um das Gesundheitswesen in der kalten Jahreszeit vor Überlastung zu schützen und möglichst vielen Menschen schwerwiegende Gesundheitsprobleme bis hin zum Tod zu ersparen?
Derzeit empfiehlt die Ständige Impfkommision (STIKO) eine vierte Impfung lediglich Menschen ab 70 Jahren, Immungeschwächten und Bewohnerinnen von Pflegeheimen sowie medizinischem Personal. In anderen Ländern gibt es abweichende Empfehlungen, in den USA sollen sich z. B. bereits Menschen ab 50 Jahren ein zweites Mal boostern lassen. Wie effektiv schützt die vierte Impfung vor Infektion und schweren Verläufen eigentlich? Und wann lässt der Impfschutz nach?
Studien, die sich mit dieser Frage beschäftigen, haben zunehmend das Problem, dass ihnen die ungeschützte Vergleichsgruppe fehlt. Denn anders als zu Beginn der Pandemie hat ein großer Teil der Bevölkerung durch durchgemachte Infektionen und Impfungen Antikörper gegen Sars-CoV-2 gebildet. Doch wie gut ein Mensch vor Infektion und schweren Verläufen geschützt ist, hängt nicht nur davon ab, wie viele Antikörper im Blut nachweisbar sind, sondern auch von deren Fähigkeit, das Virus zu neutralisieren. Deshalb sind Studien mit Vorsicht zu bewerten, die sich allein auf die Messung der Antikörperzahl beschränken.
Können Antikörperstudien Aufschluss darüber geben, wie gut eine Person vor einer Infektion geschützt ist, sind andere Komponenten des Immunsystems relevanter, wenn es um den Schutz vor schweren Verläufen geht.
Vierte Impfung ist für immungesunde Menschen nicht sinnvoll
Immunologen aus Deutschland sprachen sich vor Kurzem dafür aus, bei den Impfzielen zwischen immungesunden und immungeschwächten Menschen zu unterscheiden. Obwohl auch eine vierte Impfung nur wenige Wochen gut vor einer Infektion schütze, sei sie ein wichtiger Baustein, um schwere Verläufe zu verhindern – allerdings vor allem für immungeschwächte Personen. Der Schutz vor einem schweren Verlauf sei nach wie vor das Hauptziel der Impfung. Und dieses werde bei den meisten Menschen bereits mit zwei Impfungen erreicht.
Entscheidend für diese Schutzwirkung sei die Aktivierung zweier wesentlicher Zellgruppen des Immunsystems: die B- und T-Zellen. B-Zellen stellen nach der Immunisierung Antikörper gegen das Spike-Protein des Virus her, T-Zellen können Körperzellen angreifen, die mit dem Virus infiziert sind und so verhindern, dass sich die Infektion im Körper ausbreitet.
Christine Falk, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie und an der Medizinischen Hochschule Hannover tätig, wies darauf hin, dass ein Teil des Spike-Proteins über alle Varianten hinweg sehr konstant sei. Sie erwartet deshalb, dass T-Zellen von vollständig geimpften Personen auch bei zukünftigen Varianten in der Lage sind, infizierte Zellen zu erkennen und zu bekämpfen. Die T-Zell-Antwort ist deutlich dauerhafter als der Schutz durch neutralisierende Antikörper. Sie nimmt erst nach circa einem Jahr in relevantem Maße ab. Die Expertinnen rechnen jedoch damit, dass der T-Zell-Impfschutz bei immunkompetenten Menschen über Jahre hinweg anhält.
Eine Grundimmunisierung reiche bei immungesunden Menschen in der Regel aus, um dieses Immungedächtnis zu aktivieren. Eine dritte Impfung könne zusätzlich den Schutz vor einer Ansteckung verbessern – allerdings nur für begrenzte Zeit. Es sei nicht realistisch, anzunehmen, dass das Impfziel „Schutz vor schweren Verläufen“ bei der Omicron-Variante durch regelmäßiges Boostern von immungesunden Menschen verbessert werden könne. „Dazu bräuchte es den 25-fachen Antikörperspiegel im Vergleich zu vorherigen Virusvarianten“, meint Andreas Radbruch vom Deutschen Rheumaforschungszentrum in Berlin.
Immungeschwächte Menschen sollten Auffrischungsimpfungen bekommen
Bei Menschen, die einen Immundefekt haben, die mit Immunsupressiva behandelt werden oder die älter sind als 70 Jahre, muss mit eine weniger ausgeprägten und langsameren Immunreaktion nach einer Impfung gerechnet werden. Sie wiesen wahrscheinlich nach der dritten oder vierten Impfung eine vergleichbare Immunantwort auf wie immungesunde nach der zweiten Impfung, meint Christoph Neumann-Haefelin vom Universitätsklinikum Freiburg.
Für diese Gruppe sei deshalb eine frühe vierte Impfung sinnvoll. Neumann-Haefelin sprach sich dafür aus, diesen Menschen 3 Monate nach der dritten Impfung eine zweite Booster-Impfung anzubieten. Alle Experten begrüßten die derzeitigen Empfehlungen der STIKO zur vierten Impfung.
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