Corona: Sorge über gesundheitliche Folgen für Kinder und Jugendliche
Deutsches Kinderhilfswerk kritisiert die Corona-Maßnahmen scharf
Deutschland ist in den vergangenen beiden Pandemiejahren seiner Verpflichtung nicht annähernd nachgekommen, das Kindeswohl zu schützen. So lautet das Fazit des Kinderreports 2022, den das Deutsche Kinderhilfswerk am 3. Juni 2022 vorgestellt hat. Die Organisation fordert darin auch den Aufbruch in eine kindgerechte Politik.
Welche langfristigen gesundheitlichen Nachteile sich aus der Politik in der Corona-Pandemie ergeben, zeige sich erst nach und nach, wenn wissenschaftliche Erhebungen dazu veröffentlicht würden. Schon jetzt sehe man, was die Schließung von Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen sowie der Wegfall von Freizeitangeboten angerichtet haben: mehr junge Menschen mit Zwangs-, Angst- und Essstörungen, Depressionen und Adipositas.
Das Deutsche Kinderhilfswerk kritisiert aber auch Ungerechtigkeiten im Sinne der Generationengerechtigkeit. So hätten Erwachsene weiter zur Arbeit gehen können, weil Betriebe nicht geschlossen wurden, anders als Kinder und Jugendliche, die auf einen deutlich größeren Teil ihrer sozialen Alltagskontakte aufgrund von Schulschließungen verzichten mussten. Erwachsene hätten ein umfassendes Impfangebot bekommen, was sie zu einem großen Teil nicht genutzt haben, während es für Kinder und Jugendliche teilweise sehr schwer gewesen sei, an Impfungen heranzukommen.
Kinder und Jugendliche aus ärmeren Gesellschaftsschichten seien besonders benachteiligt, da ihnen die familiären Unterstützungsstrukturen, ein angemessenes Wohnumfeld und andere Ressourcen fehlten.
Kindergesundheitsbericht Bayern: Gewichtszunahme und psychische Belastungen
Die bayerische Regierung kommt in ihrem Kindergesundheitsbericht zu ähnlichen Ergebnissen. Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) stellte ihn am 2. Juni 2022 in München vor. Dabei betonte er, dass es der Mehrheit der bayerischen Kinder und Jugendlichen nach wie vor gut gehe, aber die erheblichen körperlichen, psychischen und sozialen Folgen der Pandemie Grund zur Sorge seien.
Die Vorsitzende des Berufsverbands der Kinder und Jugendärzte in Bayern, Gabi Haus, forderte bei der Vorstellung des Berichts, niedrigschwellige Hilfsangebote für Kinder und Jugendliche auszubauen. Es fehle in vielen Regionen an Angeboten, wie psychiatrische Krisendienste, sozialpsychiatrische Dienste und Suchtberatungsstellen sowie an spezialisierten Fachkräften für diese Altersgruppe, betonte auch die Arbeiterwohlfahrt.
Psychotherapeutenkammer Hamburg: Bedarf von Kindern an Psychotherapie steigt deutlich
Eine Umfrage der Psychotherapeutenkammer Hamburg zeigt, wie hoch der Bedarf an psychotherapeutischer Unterstützung für Kinder und Jugendliche ist. Eine Umfrage unter 150 Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten im Frühjahr ergab, dass über 85 % der Therapeutinnen eine erhöhte Nachfrage nach Psychotherapie feststellte. Der Bedarf sei um mehr als 42 % gestiegen, das betreffe vor allem Jugendliche. Die Wartezeit auf eine Behandlung habe sich im Durchschnitt um 17 Wochen verlängert.
Als Grund für den Behandlungsbedarf gaben die Patientinnen der Befragten vor allem Isolation, Mangel an sozialen Kontakten, Homeschooling und fehlende Freizeitangebote an. Die befragten Therapeuten wünschten sich mehr Therapieplätze, auch stationäre, sowie mehr Schulpsychologinnen und Schulsozialpädagogen. Weiterhin forderten sie die Krankenkassen auf, für unbürokratischere Kostenerstattung für die Behandlung von außervertraglichen Psychotherapeutinnen in Privatpraxen zu sorgen, und die Wartezeiten für die Jugendlichen zu verkürzen.
Ärzte warnen vor Folgekrankheiten
Eine repräsentative Umfrage im Auftrag der Deutschen Adipositas-Gesellschaft und des Else Kröner-Fresenius-Zentrums für Ernährungsmedizin unter 1004 Eltern mit Kindern zwischen 3 und 17 Jahren ergab, dass 16 % der Kinder und Jugendliche in der Pandemie dicker geworden sind. Bei den 10- bis 12-Jährigen waren es sogar 32 %. Kinder und Jugendliche aus armen Familien waren doppelt so oft von einer Gewichtszunahme betroffen. 44 % der Kinder bewegten sich weniger als vor der Pandemie. Bei den 10- bis 12-Jährigen waren es sogar 57 %. Deshalb hatte sich bei 33 % die sportliche Fitness verschlechtert, bei den 10- bis 12-Jährigen waren es 48 %.
Die seelische Gesundheit war bei 43 % der Kinder entweder stark oder mittelstark belastet. Und 70 % der Kinder und Jugendlichen nutzten Medien wie Fernseher, Computer und Spielkonsolen mehr als vor der Pandemie. Als positive Folge der Pandemie gaben 34 % der befragten Eltern an, dass sie als Familie häufiger gemeinsam essen.
Harte Daten zu Adipositas der jungen Generation fehlen in Deutschland. Experten schätzen, dass circa 2 Millionen Kinder und Jugendliche Übergewicht haben und 800.000 Adipositas. Das Robert-Koch-Institut gibt in der KiGGS-Untersuchung aus den Jahren 2014 bis 2017 eine Prävalenz von Übergewicht von 15 % und von Adipositas von 6 % an. Ärzte warnen, dass die Zunahme des Problems zu einer Welle von Folgekrankheiten führen könnte.
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