Bildschirmzeit beeinflusst kindliche Motorik und Spracherwerb
„Der größte Fehler war, dass wir bei den Kindern zum Teil zu streng gewesen sind und mit den Lockerungsmaßnahmen wahrscheinlich etwas zu spät angefangen haben“, sagte Karl Lauterbach kürzlich gegenüber dem „Spiegel“ über die Regeln zur Coronapandemie. „Wir hätten mehr tun müssen, um Bildungsdefizite zu vermeiden, um das Bildungsangebot in den Schulen aufrechtzuerhalten.“
Sport: mangelhaft
Doch nicht nur die Bildung der Kinder litt unter den strikten Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen. Die mangelnden motorischen Fähigkeiten der jungen Altersgruppe verschärften sich noch weiter. Und dieser Trend hält bis heute an. Schon vor der Pandemie hatten sich junge Menschen in Deutschland und Europa weniger als eine Stunde pro Tag sportlich bewegt. Nach einer Untersuchung des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) war während der Pandemie die Altersgruppe von 8 bis 12 Jahren besonders von Schulschließungen, Spielplatzsperrungen und dem Verbot von Vereinssportarten betroffen.
Laut einer aktuellen Untersuchung der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) stieg der Anteil der Diagnosen von motorischen Entwicklungsstörungen bei den 6- bis 18-Jährigen zwischen 2012 und 2022 um 44 %. Es zeigen sich u. a. Defizite beim Laufen und Klettern, aber auch bei feinmotorischen Fertigkeiten.
Während bei den 6- bis 10-Jährigen der Anteil in 10 Jahren um rund 30 % stieg, nahm er bei den 11- bis 14-Jährigen um rund 66 % und bei den 15- bis 18-Jährigen sogar um fast 120 % zu. Jungen waren mit 4,3 % etwa zweieinhalbmal so häufig betroffen wie Mädchen mit 1,8 %.
Der Bewegungsmangel in jungen Jahren hat teilweise Konsequenzen für das restliche Leben. Die Jugendlichen büßen an Ausdauer, Beweglichkeit, Muskelkraft und Koordinationsfähigkeit ein. Dies kann zu Folgen wie Übergewicht, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Gelenkproblemen führen. Auch seelische Beschwerden wie Frustration, geringes Selbstvertrauen und Angsterkrankungen können daraus resultieren.
Viel Bildschirm – wenig Sprache
Statt sich draußen zu bewegen, verbringen Kinder und Jugendliche zunehmend Zeit vor dem Smartphone, der Spielekonsole oder dem Fernseher.
Ein australisches Forschungsteam hat sich nun den Zusammenhang zwischen Bildschirmzeiten und der Sprachentwicklung von Kleinkindern angesehen, wie das Ärzteblatt berichtet. Sitzen Kleinkinder längere Zeit vor dem Bildschirm, entgehen ihnen wichtige Gesprächsmomente mit den Bezugspersonen, warnen die Wissenschaftler. Denn in dieser Zeit liegt die Konzentration bei der Technik, die Kinder nehmen weniger Worte von ihren Eltern oder anderen Erwachsenen wahr und interagieren weniger. So könnte die Sprachentwicklung hinausgezögert werden. Nicht untersucht wurde jedoch, ob die Bildschirmzeiten einen direkten Einfluss auf Wortschatz und Sprachvermögen haben.
Die Forscher hatten von Januar 2018 bis Dezember 2021 alle 6 Monate mittels Spracherkennungstechnologie ermittelte Daten von 220 Familien einbezogen. Darin wurden jeweils die Bildschirmzeiten und die häusliche Sprachumgebung der 12 bis 36 Monate alten Kleinkinder erfasst. Das Ergebnis: Je länger die Bildschirmzeit war, desto höher war der Rückgang der Eltern-Kind-Gespräche. Die stärksten Rückgänge je Minute Bildschirmzeit wurden im Alter von 36 Monaten beobachtet.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt für 3-Jährige höchstens eine Stunde Bildschirmzeit pro Tag. Selbst dabei könnten bis zu 400 Erwachsenenworte verloren gehen. Die tatsächliche Bildschirmzeit liegt schätzungsweise in den meisten Familien jedoch deutlich höher.
„Für die Sprachentwicklung von Kindern in den ersten Jahren ist es wichtig, in einer sprachlich reichen häuslichen Umgebung aufzuwachsen“, so das Forschungsteam. Das hätte u. a. einen positiven Einfluss auf die Schulreife und den späteren Bildungsverlauf.
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