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Barrierefrei sowohl im Kopf als auch in der Praxis

Seit 30 Jahren wird am 5. Mai der Europäische Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen begangen. Initiiert von der nach amerikanischem Vorbild gegründeten „Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. – ISL“ engagieren sich Aktive für weit mehr als Aufzüge oder Rampen für Rollstühle.

Gleichstellung für Menschen mit Behinderungen zu schaffen, war und ist das Ziel des Aktionstages. Diese ist trotz UN-Behindertenrechtskonvention noch lange nicht erreicht. Protest gegen veränderbare Zustände ist wichtig. Aufmerksam im Alltag und entschlossen für mögliche Veränderungen zu sein, genauso. Oder wie Inklusionsaktivisten immer wieder betonen: „Barrierefreiheit beginnt im Kopf“.
 

Jede 8. Person hat ein Handicap

10,4 Millionen Menschen mit Behinderungen lebten im Jahr 2019 in Deutschland. Bei 7,6 Millionen davon lag eine Schwerbehinderung vor. In anderen Worten: Jede 8. Person hat ein Handicap. Das ist nicht immer zu sehen, auch nicht in der Arztpraxis. Dennoch kann und muss dort wie in jeder medizinischen und sozialen Einrichtung regelmäßig über Barrierefreiheit nachgedacht werden. Folgende Fragen können sich Praxisteams stellen:

  • Sind Behindertenparkplätze vorhanden?
  • Ist der Eingangsbereich stufenlos oder über eine Rampe passierbar?
  • Gibt es einen barrierefreien Aufzug, barrierefreie Sanitäranlagen, höhenverstellbare Untersuchungsmöbel, große Umkleidekabinen?
  • Sind die Gänge so breit, dass auch ein Rollstuhl bequem durchkommt?
  • Gibt es einen Abstellplatz für Rollatoren?
  • Verfügen WC und Behandlungsräume über einen Notfallknopf?
  • Sind Orientierungshilfen für Sehbehinderte angebracht?
  • Sind alle Räume gut ausgeleuchtet?
     

Behindertenbeauftragte kritisieren regelmäßig, dass Deutschland weit entfernt von einer barrierefreien Gesundheitsversorgung ist. Hinzu kommt: Im Jahr 2020 erhoben nur 7 von 17 Kassenärztlichen Vereinigungen überhaupt Daten zu behindertengerecht gestalteten Arztpraxen. Dabei verpflichtete das seit 2019 gültige Terminservice- und Versorgungsgesetz die KVen, über die Zugangsmöglichkeiten von Menschen mit Behinderung zur ambulanten Versorgung zu informieren. Erstaunlich ist auch, dass die QM-Richtlinie keinen eigenen Paragrafen zur Barrierefreiheit insbesondere für Menschen mit Behinderung bereithält. Das zeigt, dass das Thema nicht die Aufmerksamkeit erfährt, die ihm gebührt.
 

Bundesweite Transparenz fehlt noch

Laut der nur aus den KVen Hamburg, Westfalen-Lippe, Rheinland-Pfalz, Saarland, Brandenburg, Thüringen und Sachsen vorliegenden Daten aus dem Bundesarztregister (Stand 2019) waren mit 46,2 % in Brandenburg die meisten der hausärztlichen Praxen uneingeschränkt barrierefrei zugänglich. Auch die Facharztpraxen in Brandenburg waren mit 53,6 % vorbildlich. Im Durchschnitt war nur jede vierte Praxis uneingeschränkt barrierefrei zugänglich. Rund 28 % aller Praxen der genannten KVen waren mindestens begrenzt barrierefrei.

Im Januar 2022 hat die Kassenärztliche Vereinigung eine neue Richtlinie über Sprechstundenzeiten und Barrierefreiheit in Kraft gesetzt, die regelmäßig überprüft und bei Bedarf angepasst werden soll. Damit sollen bundesweit einheitlich vollständige Informationen nach §75 Absatz 1a Satz 2 SGB V online bereitgestellt werden.
 

Das können Praxisteams tun

Die Praxis liegt im ersten Obergeschoss eines Gründerzeitbaus ohne Fahrstuhl? Rollstühle oder Kinderwagen passen nicht durch die Eingangstür? Die räumlichen Kapazitäten sind ausgeschöpft? Es gibt Gegebenheiten, die sich nicht ändern lassen.

Doch Barrierefreiheit hat noch viele andere Aspekte. Einer davon ist eine barrierefreie Praxis-Website. Sie zeichnet sich durch diese Merkmale aus:

  • sehr benutzerfreundlich
  • leicht und intuitiv bedienbar
  • hohe Kontraste führen zu besserer Lesbarkeit
  • leicht verständliche Texte
     

Das hilft allen Menschen, insbesondere aber Personen

  • mit Sehschwäche
  • mit motorischen Einschränkungen
  • mit Konzentrationsschwäche (nach Angaben der Aktion Mensch sind rund 750.000 Menschen in Deutschland davon betroffen)
  • Nicht-Muttersprachler und Menschen mit geringer Lesekompetenz.

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