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Antibiotika werden immer seltener verschrieben

Ärzte verschreiben nicht mehr so viele Antibiotika wie früher. In den letzten 7 Jahren haben sich die Verordnungen halbiert. Im Jahr 2015 nahmen noch 4 Millionen Menschen ein Antibiotikum ein, 2021 waren es nur noch 2 Millionen. Worauf ist das zurückzuführen?

Kulturwandel: So wenig wie möglich, so viel wie nötig

Sowohl in der Bevölkerung als auch bei Ärztinnen und Ärzten hat sich in den letzten Jahren die Beurteilung von Antibiotika gewandelt. Wurden sie bis vor einigen Jahren sehr schnell eingesetzt, mit dem Argument, Komplikationen von Infektionen vorbeugen zu wollen, gilt heute eher: So wenig wie möglich, so viel wie nötig. Das hat einerseits mit einer strengeren Indikationsstellung zu tun, aber auch mit einem deutlichen Wandel in der Bevölkerung.

Eine Auswertung des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) zeigt, dass 2014 von den rund 17 Millionen Patientinnen und Patienten mit Infektionen der oberen Atemwege 5 Millionen Menschen ein Antibiotikum verordnet bekamen. 2021 waren es nur noch knapp 2 Millionen bei knapp 18,5 Millionen Menschen mit dieser Diagnose. Besonders deutlich wird der Rückgang im Bereich der Kinder- und Jugendmedizin. Nur noch 6 % der Kinder mit einem Infekt der oberen Atemwege bekamen 2021 ein Antibiotikum.

Der Vorstandsvorsitzende des Zi, Dominik von Stillfried, sieht die Ursache für den Rückgang vor allem darin, dass viele Ärzte inzwischen strenger den Nutzen der Mittel gegen den möglichen Schaden durch unerwünschte Wirkungen abwägen. Diese bezögen sich nicht nur auf einzelne Patienten, denn jede Verordnung berge in sich die Gefahr, dass neue Resistenzen entstünden.
 

Bessere Gespräche zwischen Ärzten und Patienten

Eine große Rolle spielt auch, dass sich die Kommunikation zwischen Ärzten und Patienten verändert hat. Immer mehr Ärztinnen und Ärzte reflektieren, wie sie Gespräche führen. Sie verstehen, wie wichtig es ist, dass der eigentliche Beratungsanlass am Anfang des Gesprächs geklärt wird. 

Ein Beispiel: Wenn sich eine Patientin in der Praxis vorstellt, bekommt man mit der Standardfrage: „Was führt Sie zu mir?“ nicht heraus, weshalb sie zum Arzt geht. Denn die Antwort „Husten“ verrät nichts über die emotionale Thematik, die sie mit ihrem Husten verknüpft. Für ihre Ärztin ist wichtig zu wissen: Kommt sie, weil sie sich Sorgen macht, Corona zu haben? Oder weil sie als ehemalige Raucherin Angst hat, Krebs zu haben? Oder will sie ihre Ärztin um eine Krankmeldung bitten? Oder möchte sie nur ein Rezept? Wenn die Patientin Sorgen und Ängste hat, hilft es ihr nicht, von der Ärztin ein Rezept für Antibiotika zu bekommen.

Dieses Beispiel zeigt: Nicht die Diagnose, sondern der Beratungsanlass ist der Schlüsselfaktor für ein gelingendes Gespräch im Sprechzimmer. Ärzte können in speziellen Kommunikationsschulungen Techniken lernen, mit denen sie in Gesprächen schnell und zuverlässig herausbekommen können, weshalb ein Patient zu ihnen kommt.

In den Niederlanden gehört die Schulung in Gesprächstechniken standardmäßig zur Mediziner-Ausbildung dazu. Das heißt, alle werden geschult und geprüft. Auch in Deutschland soll sich die Kommunikationsschulung im Medizinstudium verbessern. Daran wird schon seit Längerem gearbeitet. Doch dafür müsste die Approbationsordnung geändert werden. Und obwohl die Voraussetzungen dafür bereits erarbeitet wurden, können sich die Bundesländer nicht darauf verständigen, die neue Ordnung zu beschließen.

Sobald dieser Streit beigelegt ist, wird jeder Medizinstudent und jede Medizinstudentin über das gesamte Studium hinweg immer wieder Kommunikationsmodule belegen müssen und in diesem Fach auch geprüft werden. Außerdem soll in der Facharztweiterbildung für die Allgemeinmedizin standardmäßig Kommunikation gelehrt werden, ebenfalls inklusive Prüfung. Das ist eine gute Nachricht. Denn es zeigt sich: Bekommen Ärztinnen und Ärzte eine halbtägige Kommunikationsschulung nach den in den Niederlanden bewährten Techniken, spart das bis zu 11 % an unnötigen Antibiotika-Verordnungen ein. So das Ergebnis einer Studie.

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