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Immer mehr Patienten fragen nach der „Fett-Weg-Spritze“ – was steckt dahinter?

Ein Medikament zur Behandlung von Typ-2-Diabetes ist derzeit nicht lieferbar – auch weil verstärkt normalgewichtige Menschen glauben, es sei ein bequemes Abnehmmittel. Dieser Hype wird nicht zuletzt durch Prominente wie Elon Musk angefeuert, die behaupten, mit der „Fett-Weg-Spritze“ abgenommen zu haben. Dabei gibt es zum Medikament selbst noch viele Fragen, z. B. zu Langzeiteffekten und Off-Label-Use.

Wofür die „Fett-Weg-Spritze“ zugelassen ist

Ein Mittel Ozempic zur Behandlung von Typ-2-Diabetes, das den Wirkstoff Semaglutid enthält, ist voraussichtlich noch bis zum 6. Februar nicht lieferbar. Das meldete der Hersteller Novo Nordisk in der Lieferengpass-Datenbank des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Ozempic wird als Injektionslösung in einem Fertigpen angeboten und enthält 1 mg des Wirkstoffs Semaglutid.

Semaglutid reguliert den Appetit, erhöht das Sättigungsgefühl und reduziert den Hunger. In der Zulassungsstudie hatten Erwachsene mit starkem Übergewicht (Body-Mass-Index BMI 30 kg/m2 und größer) mit dem Mittel im Schnitt 15 Kilogramm und damit 15 % ihres ursprünglichen Körpergewichts verloren (Placebogruppe: 2,6 kg und 2,4 % des Körpergewichts). Ozempic wird bei Erwachsenen zusätzlich zur Diät und körperlichen Aktivität eingesetzt, wenn ihr Typ-2-Diabetes unkontrolliert verläuft. Das Mittel kann zusammen mit dem Diabetes-Medikament Metformin gegeben werden, oder – wenn Kontraindikationen oder Unverträglichkeiten gegenüber Metformin bestehen – auch als Monotherapie. Ein Ausgangsgewicht ist für die Gabe nicht definiert.

Der Wirkstoff ist in höherer Dosierung auch unter dem Handelsnamen Wegovy in der EU zugelassen, aber anders als beispielsweise in den USA noch nicht auf dem Markt erhältlich. Es ist vorgesehen für erwachsene Patientinnen mit einem BMI über 27, bei denen mindestens eine Begleiterkrankung vorliegt, die mit dem Übergewicht assoziiert ist, wie z. B. Prädiabetes, Diabetes mellitus Typ 2, Fettstoffwechselstörung, obstruktive Schlafapnoe oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck. Es wird mit einer Diät und einem Bewegungsprogramm kombiniert. Viele Menschen hierzulande mit Adipositas erwarten das Mittel sehnsüchtig, der Hersteller Novo Nordisk gibt an, mit Hochdruck daran zu arbeiten, auch Wegovy auf den europäischen Markt zu bringen.
 

Warum die „Fett-Weg-Spritze“ gerade gehyped wird

Nach seinem Aussehen gefragt, twitterte Tesla-Gründer und Twitter-Chef Elon Musk kürzlich, dass sein Geheimnis sei, zu fasten und Semaglutid zu nehmen. Nicht zuletzt wegen solcher Äußerungen von Prominenten ist das Mittel in den USA bei Normalgewichtigen mit Abnehmwunsch sehr gefragt. Dieser Trend macht sich auch in Deutschland immer mehr bemerkbar.

Der Hamburger Endokrinologe und Vorsitzende der Gesellschaft für Endokrinologie (DGE), Stephan Petersenn, berichtete in der Pharmazeutischen Zeitung, dass seine Patienten verstärkt danach fragen. In die Spritze werden viele Hoffnungen gelegt. „Die neuen Wirkstoffe könnten zu Game-Changern in der Behandlung von Adipositas werden, wenn der Gesetzgeber den Weg dafür freimacht“, sagt Jens Aberle, Präsident der Deutschen Adipositas-Gesellschaft. Die „Fett-Weg-Spritze“ könnte auch eine Magen-Verkleinerungs-OP bei Menschen mit Adipositas überflüssig machen, wenn sie laut Zulassung eingesetzt wird. 

Aus den bisherigen Erfolgen bei starkem Übergewicht zu schließen, dass sie das ideale Abnehmmittel für alle wäre, ist jedoch falsch. Semaglutid sollte gemäß der Zulassung in ein Gesamt-Therapiekonzept eingebettet sein: Dazu gehören eine kalorienreduzierte Ernährung, Bewegung sowie die medizinische Überwachung. Und es sollte den Patientengruppen vorbehalten sein, an denen die Wirksamkeit getestet und belegt wurde.
 

Warum Experten zur Vorsicht mit der „Fett-Weg-Spritze“ raten

Der Endokrinologe Petersenn betont: „Es ist unklar, ob ein übergewichtiger Patient, der aber nicht adipös ist, überhaupt Gewicht verliert.“ Das wurde bisher nämlich noch gar nicht untersucht. Unklar ist auch, mit welchen Nebenwirkungen Normalgewichtige rechnen müssen. Übelkeit und Durchfall sind möglich und könnten bei nicht Übergewichtigen möglicherweise stärker ausfallen.

In den Zulassungsstudien spritzten sich die Teilnehmerinnen Semaglutid 68 Wochen lang. Wie der Körper auf eine längere Anwendung reagiert, ist aber offen. Petersenn weist darauf hin, dass das Medikament nur so lange wirken könne, wie man es anwende. Ob eine jahrelange Einnahme mehr Nutzen als Schaden bringe, ist nicht untersucht. Höchstwahrscheinlich müsse man nach dem Absetzen damit rechnen, dass man schnell wieder zunimmt. Ein Jo-Jo-Effekt ist wahrscheinlich und das Mittel deshalb keine Wunderwaffe.

Dazu kommt, dass Krankenkassen das Medikament derzeit nicht bezahlen, weil sie es unter Lifestyle einsortieren. Der aktuelle Hype gibt dieser Entscheidung Rückenwind. Dabei ist es Teil der allgemeinen Stigmatisierung, dass Menschen mit starkem Übergewicht erfolgversprechende Behandlungen selbst bezahlen müssen. Das verstärkt auch die Ungleichheit in der Patientengruppe, weil es Betroffene, die wenig Geld haben, benachteiligt.

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