Erstmal abwarten: So lässt sich der Antibiotikaverbrauch reduzieren
Wenn Ärzte häufiger empfehlen würden, ein Rezept für ein Antibiotikum erst einzulösen, wenn die Symptome in zwei oder drei Tagen nicht besser werden, könnte man den Antibiotikaverbrauch deutlich senken. Zu diesem Ergebnis kommt ein aktuelles Cochrane-Review. Bei einem Cochrane-Review gehen verschiedene Fachleute einer bestimmten Gesundheitsfrage nach und fassen die Resultate zusammen.
In diesem Fall zog man zur Auswertung 12 Studien heran, bei denen insgesamt 3.750 Patienten befragt wurden. Die Fachleute kamen u. a. zu diesen Ergebnissen:
Lediglich 29 % der Patienten holten das Antibiotikum tatsächlich noch, wenn ihnen der Arzt das Rezept mit der Empfehlung gegeben hatte, noch zwei Tage abzuwarten. Der Anweisung, das Medikament sofort anzuwenden, folgten dagegen 93 %. Der Patientenzufriedenheit schadete die Empfehlung zur verzögerten Einnahme nicht, nur 2 % der Befragten waren nach dem Arztbesuch unzufriedener als die Patienten mit der sofortigen Einnahmeanweisung.
Schneller gesund durch Antibiotika?
Auch die Auswirkungen der Einnahmezeitpunkte von Antibiotika auf den Verlauf verschiedener Krankheiten und Symptome wurden in mehreren Studien im Rahmen des Cochrane-Reviews unter die Lupe genommen:
- Bei akuter Mittelohrentzündung zeigten zwei Studien, dass die sofortige Einnahme am dritten Tag zu weniger Schmerzen und Unwohlsein führte.
- Auf Husten hatte der Einnahmezeitpunkt keinen Einfluss.
- Bei Halsentzündungen zeigten vier Studien Vorteile bei der sofortigen Einnahme, insbesondere in Bezug auf die Reduzierung von Fieber. In zwei Studien stellte man keine Unterschiede zwischen unverzüglicher und verzögerter Einnahme fest.
- In Fällen von grippalen Infekten erwies sich die sofortige Anwendung im Vergleich zur verzögerten Einnahme nicht als überlegen.
- Vier Studien zu Begleitmedikation zeigten, dass eine sofortige Einnahme des Antibiotikums zu weniger Einsatz von Paracetamol führte.
Um den Einsatz von Antibiotika bei Atemwegserkrankungen weiter zu reduzieren, empfehlen die Forschenden den Arztpraxen, Antibiotika erst dann zu verschreiben, wenn sich die Symptome nicht innerhalb von zwei Tagen bessern. Als Kompromiss kann die Empfehlung der verzögerten Einnahme eine gute Lösung darstellen.
Wissen weist Lücken auf
Aber warum bitten so viele Patienten um ein Rezept für ein Antibiotikum? Dieser Frage ging der Bundesverband Deutscher Arzneimittelhersteller (BAH) im November 2022 nach. Dabei stellte sich heraus, dass mehr als 40 % der 1.008 Befragten annahmen, dass ein Antibiotikum auch oder ausschließlich gegen Viren wirksam sei. Insgesamt 91 % hatten in ihrem Leben schon mindestens einmal ein Antibiotikum eingenommen. 73 % hatten den Eindruck, sie seien dadurch schneller gesund geworden.
89 % nahmen ihr Antibiotikum streng nach ärztlicher Anweisung bzw. der Packungsbeilage ein, nur 2 % setzten es nach Besserung der Beschwerden vorzeitig ab. Hier herrscht besonders bei den 18- bis 29-Jährigen noch Aufklärungsbedarf, da sie häufiger der Ansicht waren, mit der Einnahme bei Abklingen der Symptome aufhören zu können.
Nur 82 % der Befragten waren sich bewusst, dass zu häufige Antibiotikaeinnahmen die Gefahr einer Resistenzbildung erhöht.
Dramatische Folgen
Vor genau diesem Problem stehen mittlerweile Mediziner in Südostasien und dem Pazifikraum, wie das Fachjournal Lancet Regional Health berichtet. Dort sind in vielen Ländern Antibiotika frei verkäuflich, was die Ausbreitung von multiresistenten Bakterien gefördert hat. Die Folgen sind nun vor allem bei Babys und Kleinkindern zu erkennen. Erkranken sie an schweren Erkrankungen wie Sepsis oder Meningitis, sprechen mittlerweile mehr als die Hälfte nicht mehr auf die von der WHO erstempfohlenen Antibiotika an.
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